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Hausers Zimmer - Roman

Hausers Zimmer - Roman

Titel: Hausers Zimmer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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Steffen zurück. Ich kam mir wie eine Geheimagentin vor. Petra Hauserova wäre mein Deckname. Und unsere Klasse stand jetzt im Pergamonmuseum. Steffen beugte sich zu mir herunter: »Ich möchte nicht nur am Alex rumhängen, da geht jeder Touri hin, lass uns die U-Bahn nehmen, irgendwohi n … was halt interessant klingt!«
    Mein Herz hüpfte vor Freude. Wir bezahlten, sagten den Wuschelbärten »Tschüss« und liefen zur U-Bahn am Alex. Dann starrten wir auf den Stadtplan. Wohin sollte es gehen? Es gab so viele interessant klingende fremde Namen, dass wir uns erst gar nicht entscheiden konnten, schließlich nahmen wir Weberwiese , das klang schön merkwürdig. Der U-Bahnhof Alexanderplatz war riesig und düster, doch in seiner reklamelosen Nacktheit irgendwie beeindruckend. Riesige Strahlträger mit dicken Schrauben hielten die Decken. Endlich fanden wir die U5 und ratterten los. Die U-Bahn war ungemütlicher, aber uriger als im Westen, alle Leute berlinerten, fiel mir auf, nicht nur die augenscheinlichen Proleten. Aber wir waren ja auch im Staat der Proletatier. Wiebke und Klaus würden nie so rede n – obwohl sie doch solche Berlin-Fans waren. Hier war Weberwiese , wie es dort wohl aussah? Vielleicht so ähnlich wie in Düppel oder Lübars? Fuhren wir ins Grüne? Vielleicht könnten wir uns da in die nicht vorhandene Sonne legen? Als wir ausstiegen, dachte ich, mich träfe der Schlag. Ich stand auf einer unermesslich großen, langen Straße, die von riesigen, gleich aussehenden Gebäuden flankiert war. Ich hatte die Stalinallee bisher nur im Fernsehen und in Bildbänden gesehen. In Wirklichkeit war sie viel beeindruckender: So hatte ich mir vielleicht Moskau vorgestellt, aber nicht Berlin! Für einen Moment wurde mir flau: Alles war so anders hier, und doch waren es nur wenige Kilometer bis nach Haus e – ein eigenartiger Gedanke. Die Leute, die uns entgegenkamen, trugen andere Kleidung, guckten anders, ihre Gestik war anders. Ob sie merkten, dass Steffen und ich nicht von hier waren? Vielleicht mochten sie uns nicht, fanden, dass wir hier nichts zu suchen hatten? Stumm stiefelten wir die breite Allee entlang. Die Häuser zur Rechten und zur Linken sahen wie mächtige Altbauwohnhäuser aus, hatten aber mehr Stockwerke als bei uns. Weiter nach Osten rahmten zwei große Türme die Straße ein. Dagegen wirkte unser Ku’damm niedlich. Als Kind hatte ich geglaubt, der Ku’damm hieße so, weil hier früher Kühe gegrast hätten. Jede Stadt ist doch mal ein Dorf gewesen.
    Ich hätte Steffen gern von meinen Gedanken erzählt, aber ich war zu überwältigt, um sprechen zu können. Wenigstens schien es ihm ähnlich zu gehen, er schaute immer wieder nach rechts und links, blickte zurück in Richtung Alexanderplatz.
    Plötzlich wollte ich nur noch weg, fühlte mich unwohl auf dieser riesigen Allee, zupfte Steffen am Jackett und wies nach links in eine kleine Straße. Steffen nickte, wir verstanden uns ohne Worte und bogen ab. Graue Fassaden, Einschusslöcher, schmucklose Cafés. Und trotzdem, angenehmer. Wir starrten neugierig in das Schaufenster eines kleinen Lebensmittelladens. Mir gefielen die Türmchen aus Konservendosen. Warhol, den Klaus verehrte, hatte Konservendosen gemalt. Klaus fand sie genial. Auf meine Frage hin, ob dies nicht auch eine »Masche« sei, hatte ich keine Antwort bekommen. Jedenfalls würden Warhol die Türmchen sicher gefallen. Die Tür öffnete sich, ein älterer Mann kam uns entgegen. Mir fiel auf, dass er schwankte. Dann blieb er vor uns stehen.
    » FDJ -Junge, was?« Er glotzte Steffen an. Ich bekam sofort Angst.
    » FDJ -Junge, hab ick jefragt!« Er trat einen Schritt näher.
    »Nein, nein«, Steffen schüttelte verwirrt den Kopf und wollte weitergehen.
    »Bist’n FDJ -Schwein!«, zischte der Mann und stellte sich breitbeinig vor uns.
    »Ic h … nein, ich bin aus’m Westen!« Steffens Stimme klang kläglich, und das Herz pochte mir bis zum Hals.
    »Mach mir doch nüscht vor! Dit blaue Hemd, gloobste, ick kenn dit nich?« Der Mann spuckte Steffen vor die Füße. Ich blickte Steffen an, er trug ein dunkelblaues schlichtes Hemd. Sahen die FDJ -Hemden ähnlich aus? Ich wusste es nicht, irgendwann einmal hatte ich Aufmärsche der FDJ im Fernsehen gesehen, aber bei unserem defekten Schwarzweiß-Apparat konnte ich mich schlecht an Farben erinnern.
    »Hören Sie, hier liegt eine Verwechslung vor! Ich trag’ ein blaues Hemd, mag sein, dass dieses Blau ähnlich ist wie das der FDJ , abe r … ich

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