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Hausmaestro - Kriminalroman

Hausmaestro - Kriminalroman

Titel: Hausmaestro - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rupert Schöttle
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aus? Zahlen die hier so schlecht?«
    »Das sind doch die Kleider, mein verehrter Neboch, die sich der Regisseur zusammen mit dem Kostümbildner ausgedacht hat«, antwortete Walz amüsiert.
    Bei den Statisten herrschte eine ausgesprochen gedrückte Stimmung, was trefflich zu deren Aufzug passte. Das beherrschende Thema war selbstredend der Tod des Dirigenten. Viele Statisten sind ausgesprochene Musikenthusiasten, die nur deshalb ihrer Tätigkeit nachgehen, um möglichst oft in die Oper zu kommen. Da fast keine Aufführung, ob Ballett oder Oper, ohne sie auskommt, ist diese Berufsgruppe, die nicht angestellt ist und auf Stückbasis entlohnt wird, zahlenmäßig bei Weitem die größte. An der Wiener Staatsoper sind etwa 1.000 Statisten registriert. Dabei wird der größte Wert darauf gelegt, dass diejenigen Darsteller, die bei der Einstudierung dabei waren, auch an sämtlichen Folgeaufführungen teilnehmen. Das ist nur allzu verständlich, da für jeden Statisten vor der Premiere ein eigenes Kostüm geschneidert wird. So verwundert es nicht, dass das Altersspektrum, wie übrigens auch die gesellschaftliche Streuung, in dieser Gruppe sehr breit ist. Vom Taxifahrer bis zum Universitätsprofessor, vom Jugendlichen bis zum Greis – in der Statistengruppe findet man einen repräsentativen Querschnitt durch die österreichische Gesellschaft. Der älteste Statist an der Wiener Staatsoper zählt derzeit übrigens stolze 92 Jahre. Ganz so alt war Willi Mock noch nicht, aber in jedem Fall hatte auch er schon sein achtes Lebensjahrzehnt überschritten.
    Neben ihnen saß eine junge Frau mit verweinten Augen, die schweigend in ihr Glas starrte. Ein ebenso junger Kollege hatte tröstend den Arm um sie gelegt. In ihren Kostümen wirkten sie auf Vogel wie ein junges Paar gestrandeter Junkies, die kein Geld für den nächsten Schuss hatten und sich mit dem Gedanken an einen kollektiven Selbstmord trugen.
    Auch Mock schien unter Schock zu stehen. Sein ohnehin gut durchblutetes Gesicht war trotz der grauen Schminke vor Erregung dunkelrot angelaufen.
    »Wir sind alle völlig fertig … Es ist einfach unbegreiflich für uns«, seine Schnurrbartspitzen zitterten vor Empörung. »Jetzt statiere ich hier schon über 50 Jahre, hab noch den Karajan und den Böhm erlebt, und jetzt das. Wer kommt überhaupt auf so was? Könnt ihr mir das sagen?« Herausfordernd schaute er die Kriminalisten an, gerade so, als trügen sie die Schuld an dem tragischen Verbrechen.
    »Wie hast du den Maurer erlebt in den letzten Tagen? Ist gestern oder vorgestern was Besonderes mit einem Musiker vorgefallen?«, fragte ihn Walz, während Vogel zufrieden an seiner Pfeife hantierte.
    »Dabei war ich nicht, es sind ja noch keine Bos … Wir proben mit Klavier, wohingegen das Orchester noch allein übt.«
    »Ach ja, natürlich«, Walz schlug sich an die Stirn, »ist halt doch schon länger her, aber hast vielleicht was g’hört?«
    »Das schon. Der Maurer hat sich einige Male ziemlich danebenbenommen, hat man erzählt,« flüsterte Mock, »aber wenn ich da an den alten Böhm denk, wie der manchmal mit den Musikern umg’sprungen ist, da war der Maurer doch a Lercherl dagegen.«
    »Und wie war er zu den Sängern?«
    »Zu den großen war er professionell, wie es heißt. Der Maurer war ja net blöd. Die Sänger sind ja viel heikler als die Musiker. Wenn es der Mayhold zu viel wird, dann meldet sie sich einfach krank, und dann schaut’s deppert aus für den Maurer. Dann wird nämlich der Münch krawutig, weil es derzeit keine bessere Traviata gibt – und er kein g’scheites Cover hat. Mit dem Regisseur scheint’s aber was gegeben zu haben.«
    »Wer führt denn überhaupt Regie?«
    Mock verdrehte die Augen. »Der Höllwarth … «
    »Ach so, deshalb die Kostüme, jetzt versteh ich alles«, seufzte Walz, »und, ist die Traviata nackert und der Alfredo kackt vor lauter Begeisterung darüber auf die Bühne?«
    Erstaunt schaute Vogel seinen Kollegen an.
    »Na, so schlimm ist es diesmal nicht«, gab Mock grinsend zurück, »das würd der Münch wohl nicht zulassen. Aber glaub mir, es ist auch so arg genug. Das erste Bild, also das Fest, spielt in einem Abbruchhaus, das den Verfall der Gesellschaft symbolisieren soll, hat der Höllwarth erklärt. Der Alfredo ist ein Mistbauer, der eigentlich zufällig auf das Fest gerät, weil er den Dreck wegräumen soll. Und sein Vater ist ein Müllbaron, der sein Geld mit illegalen Halden verdient hat. Der will für seinen Sohn was Besseres

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