Hausmaestro - Kriminalroman
der klassischen Musik. Denken Sie nur an die Geschichte, als der in Amerika bis dato weithin unbekannte Kurt Masur überraschenderweise Chef des New York Philharmonic Orchestra wurde. Es war Wilford gewesen, der dem damaligen Orchestermanager dazu geraten hatte, weil in der DDR gerade die Mauer gefallen war und die vorangegangenen Demonstrationen in Leipzig weitgehend friedlich verlaufen waren, was nicht zuletzt Masurs Verdienst war. Diese Ernennung war also rein politisch motiviert gewesen, mit seinen Dirigierkünsten hatte dies überhaupt nichts zu tun. Mit dem Tod der ganz großen Dirigenten und dem Zusammenbruch des CD-Marktes verfiel die Macht Wilfords, der inzwischen auch altersmäßig nicht mehr mithalten konnte. An seine Stelle traten andere Agenturen, die zwar nicht mehr diese Machtfülle auf sich vereinigen konnten, aber dennoch großen Einfluss auf die Karrieren der Musiker nahmen. Jene Firmen verkaufen nun oft sogenannte ›Packages‹, bei denen große Sänger nur unter der Bedingung engagiert werden dürfen, dass der Veranstalter auch einen bestimmten Dirigenten und weitere Sänger minderer Qualität mitverpflichtet. In manchen Fällen geht es sogar so weit, dass gleich das ganze Regieteam mitgeliefert wird.«
»Das würde also im konkreten Falle heißen, dass Münch, wenn er unbedingt Hanna Mayhold als Violetta haben wollte, dafür den Helmut Höllwarth in Kauf nehmen musste … «
»Ob das genau so gelaufen ist, kann ich natürlich nicht sagen«, erwiderte Meisl lachend, »aber wenn ich auf die Bühne schaue, kann ich mir das gut vorstellen.«
»Und die Agentur Max und Novak, die ja Herrn Maurer unter Vertrag hatte, gehört die auch zu diesen großen Firmen?«
»Ja, Max und Novak gehört auch dazu«, sagte Meisl bedächtig.
»Ich fürchte, wir müssen unser Gespräch kurz unterbrechen«, rief plötzlich Vogel aus »unser Essen kommt … und wehe, es schmeckt euch nicht!«
Nach dem allgemeinen Erstaunen darüber, dass die Burger hier mit Kartoffelwedges serviert und mit Besteck gegessen wurden, drehte sich das Gespräch während des Essens hauptsächlich darum, welche der dargebotenen Soßen nun die beste sei.
Nachdem alle drei hochzufrieden ihre Mahlzeit beendet hatten, knüpfte Walz nahtlos an das vorige Gespräch an, wohingegen Vogel sich seine obligate Verdauungspfeife stopfte.
»Wissen Sie etwas darüber, dass Professor Münch Teilhaber von Max und Novak ist?«
Verblüfft blickte Meisl ihn an. »Nein, offen gestanden habe ich mir darüber nie Gedanken gemacht. Woher haben Sie diese Information?«
»Von einer, so glaube ich, zuverlässigen Quelle«, antwortete Walz vorsichtig.
»Das wäre ja wirklich unglaublich«, sagte Meisl mit finsterer Miene. »Dass der Münch ein mieser Charakter ist, das wusste ich schon lange – aber das … Wissen Sie, bei uns Musikern feilscht er um jeden Cent, die hauseigenen Sänger entlässt er kurz vor ihrer Pragmatisierung, um sie dann mit schlechter bezahlten Stückverträgen erneut zu engagieren. Die Kantine versteigert er an den Bestbieter, der den hohen Pachtpreis wieder hereinbringen muss, was verständlicherweise auf Kosten der Qualität geht. Er selbst isst ja nicht dort. Als wäre dies nicht genug, beschimpft er uns Musiker beständig wegen unserer Geldgier. Dabei müssen wir so viele Nebengeschäfte machen, weil er uns so schlecht bezahlt. Für diese Art der Sparsamkeit auf unsere Kosten lässt er sich von allen als Finanzgenie feiern. Und jetzt erfahre ich von Ihnen, dass er an den Engagements der Künstler mitverdient, die er auf Kosten der Steuerzahler beschäftigt – das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Jetzt wird mir einiges klar.« Meisl schien wirklich wütend zu sein.
»Das heißt … ?«, fragte Walz.
»… dass wir immer dieselben Dirigenten haben, von denen manche allenfalls durchschnittlich sind, während andere wirklich gute Kapellmeister nur ganz selten zum Zuge kommen. Glücklicherweise geht Münch nächstes Jahr in Pension.«
»Sie wissen wahrscheinlich, dass auch Magnus Maurer von Max und Novak vertreten wurde. Samuel Berner hingegen ist bei einer anderen Agentur unter Vertrag.«
Meisl nickte langsam mit dem Kopf. »Deshalb der Maurer und nicht der Berner … «, sagte er versonnen. »Was macht er denn jetzt, der arme Direktor, wo er am Berner gar nix verdient?«
»Möglicherweise betrifft das ja nur ein paar Proben. Wir haben gehört, dass noch immer nach einem Stardirigenten gesucht wird, der dann die
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