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Hausmaestro - Kriminalroman

Hausmaestro - Kriminalroman

Titel: Hausmaestro - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rupert Schöttle
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und mir? Ich hab mir als Kind immer vorgestellt, dass man es einem Menschen ansehen muss, wenn er jemanden umgebracht hat. Das ist wahrscheinlich Unsinn, aber irgendeinen Unterschied muss es doch wohl geben … «
    Vogel holte tief Luft. »Na ja, im Kriegsfall sind wir ja alle potenzielle Mörder, es steckt sicherlich in jedem von uns drin. Aber in Friedenszeiten verhält es sich doch ein wenig anders. Bei einem Mörder ist vor allen anderen Dingen das Motiv wichtig, die Beweggründe, aus denen er einen anderen umgebracht hat«, erklärte er geduldig. »Ob er es vorsätzlich getan hat oder ob es ihm passiert ist. Die vorsätzlichen Mörder sind natürlich die viel gefährlicheren, weil die ihren Mord sorgfältig geplant haben. Das sind die wahren Verbrecher. Im Moment jagen wir einen solchen, der einen jungen Mann mit einer Garotte umgebracht hat. Also nicht mit einem Messer, das zufällig herumlag, nein, er hat das Mordinstrument mit zum Tatort gebracht, in der Absicht, den Mann zu erdrosseln. Davor hat er sich erst noch die Garotte besorgen oder sie herstellen müssen, so etwas hat man ja nicht einfach zu Hause herumliegen. Dazu gehört eine ausgeprägte kriminelle Energie, die ein normaler Bürger nicht hat. Die anderen Mörder, die im Affekt gehandelt haben, unterscheiden sich von den meisten Menschen durch ihren Jähzorn. Wenn sie gereizt werden, verlieren sie rasch die Kontrolle über sich, mit der Folge, dass sie das nächstbeste Objekt oder ihre bloßen Hände nehmen, um ihr Opfer damit zu verletzen, wobei sie den Tod des anderen, wenn sie ihn auch nicht unbedingt wollen, so doch billigend in Kauf nehmen. Das sind zumeist Menschen mit einem hohen Aggressionspotenzial, wie etwa die Jugendlichen, die einen Menschen nur deshalb töten, weil er sie seltsam angeschaut hat. Die werden dann nicht unbedingt wegen Mordes angeklagt, sondern können auch mit Totschlag davonkommen, da spielt sehr häufig die Anzahl der Promille, die sie während der Tatzeit intus hatten oder ihr soziales Umfeld eine Rolle, dem sie in ihrer Kindheit ausgesetzt waren. Und dann gibt es noch die Mörder, die den anderen aus Versehen umbringen, es passiert ihnen einfach, aus einer momentanen Verzweiflung oder Kränkung heraus. Ich hatte einmal einen Fall mit einem Geigenbauer. Der hat eine gute Freundin von mir nur deshalb umgebracht, weil er gedacht hat, sie lache am Telefon über ihn, dabei hat sie über einen Scherz von mir gelacht, der mit ihm nicht das Geringste zu tun hatte … «
    Plötzlich verstummte Vogel. Schon lange hatte er nicht mehr an die Journalistin Miriam Rossi gedacht, seine ehemalige Geliebte, die vor ein paar Jahren von einem spielsüchtigen Geigenbauer vor dem Badener Casino mit einer Krawatte erdrosselt worden war.
    Plötzlich spürte er Michelles Hand in seiner Linken.
    Wortlos gingen sie eine Weile so weiter.
    »Das tut dir noch immer weh, das mit deiner Freundin, nicht?«, fragte Michelle unvermittelt, ohne ihm ihre Hand zu entziehen.
    »Ja, das war wirklich schrecklich«, sagte er leise. »Einen Menschen, den du liebst, auf diese Art und Weise zu verlieren. Und, obwohl ich wirklich nichts dafür konnte, fühlte ich mich trotzdem schuldig. Damals habe ich ernsthaft daran gedacht, meinen Beruf aufzugeben.«
    Verständnisvoll drückte Michelle seine Hand. »Wenn es so war, wie du es erzählt hast, bist du überhaupt nicht schuld daran. Es ist halt einfach blöd gelaufen.«
    Das Gespräch hatte eine Wendung genommen, die Vogel ganz und gar nicht behagte, auch wenn er die daraus resultierende körperliche Nähe durchaus genoss.
    Nachdem sie einige Minuten schweigend gegangen waren, blieb er plötzlich stehen und blickte Michelle an. »Eigentlich sind wir doch miteinander spazieren gegangen, um uns kennenzulernen, und jetzt blasen wir Trübsal. Komm, erzähl mir was von dir«, forderte er sie lächelnd auf.
    Ihre Hand war noch immer in seiner, und er begann sich zu fragen, ob sie ihm diese wirklich nur aus Mitleid zur Verfügung gestellt hatte.
    Just in diesem Moment entzog sie sie ihm.
    »Was soll ich dir groß von mir erzählen? Ich bin als Tochter rumänischer Eltern, die vor Ceausescu geflüchtet sind, in Wien aufgewachsen. Wohlbehütet, wie man so sagt. Mein Vater ist ein bei den Wiener Linien angestellter Ingenieur und meine Mama hatte mit uns Kindern – ich habe drei Geschwister – mehr als genug zu tun. Nach meiner Matura wollte ich auf eigenen Beinen stehen und habe bei der Wiener Städtischen eine Ausbildung

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