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Hausverbot

Hausverbot

Titel: Hausverbot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mariola Brillowska
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hatte kein Mitgefühl mit den Polen, und ich hatte auch keins. Er bedauerte nur sich selbst, weil ihm schwante, dass er mich nicht ganz so einfach heimschicken konnte. Für mich wiederum war der Kriegszustand ein Segen Gottes. Na also! Die Eile mit der Abreise war richtig gewesen, exakt getimt. Halleluja. Da hatte mein innerer Wecker also nicht von ungefähr die ganze Zeit gebimmelt.
    Ich stand jetzt schon eine ganze Weile auf der namenlosen Brücke. Ich wurde langsam hungrig. Ich ging zum Lerchenfeld. Ich wartete, bis die Kantine öffnete. Es war erst zehn Uhr morgens. Es war überhaupt das erste Mal, dass ich so früh hierhin kam. Die Hochschule war mein zweites Zuhause. Hier hatte ich einen Atelierplatz und konnte mich billig und manchmal auch ohne Geld ernähren. Hier traf ich meine Kommilitonen, mit denen ich auf Vernissagen den kostenlosen Alkohol trank. Ich kaufte eine Flasche Coca-Cola im Automaten. Ich dachte darüber nach, ob es was bringen würde, wenn ich mir den Künstlernamen Lola Coca Cola zulegen würde. Ich fand das in dem Moment irgendwie witzig. Ich trank die Cola in einem Zug aus. Ich hatte an dem Morgen einen wahnsinnigen Durst. Ich war dermaßen verkatert. Mein Kopf war Matsch. Gestern war die Vernissage meiner ersten Ausstellung im Vorwerkstift gewesen. Dort wohnte ich seit dem Beginn meines Studiums. Zwei Straßen weiter befand sich die ›Buch Handlung Welt‹, in der nicht nur die Neuen Wilden Oehlen und Büttner, sondern auch Allen Ginsberg und Jan Kerouac, die Tochter von Jack Kerouac, ein und aus gingen. Ich studierte Kunst und wohnte im Künstlerhaus Vorwerkstift, wo ich auch ausstellte. Ich befand mich mittendrin im Geschehen. Ich musste mir keine Sorgen um Geld machen. Ich lebte von Bafög und zahlte im Vorwerkstift keine Miete. Der einzige Nachteil war, dass das Haus direkt neben dem Schlachthof stand. Es roch sehr oft nach gammelndem Fleisch. Ich schlief grundsätzlich mit einer Wäscheklammer auf der Nase, um von diesem Gestank nicht geweckt zu werden. Weil ich mich deswegen schon ein paar Mal übergeben hatte müssen.
    Ins Vorwerkstift war ich durch den Galeristen Mensch gekommen. Zu Beginn meines Studiums hatte ich ihn zufällig auf dem Wochenmarkt in dem Hamburger Assi-Stadtteil Billstedt kennengelernt. Die Aussiedlerbehörden hatten mich in Billstedt in einem Wohnheim untergebracht, nachdem ich von Frankfurt über Friedland nach Hamburg übergesiedelt war. Der Galerist Mensch fragte mich, ob ich eine Künstlerin sei. Er hatte einen Skizzenblock auf dem Gepäckträger meines Fahrrads gesehen. Wir kamen ins Gespräch. Er erzählte mir vom Vorwerkstift, einem renovierungsbedürftigen ehemaligen Altersheim, das im Karolinenviertel leer stand. Damit es nicht von Autonomen besetzt wurde, suchte Mensch Künstler, die das Haus so schnell wie möglich belebten und es auch renovierten. Aus Vorwerkstift sollte ein Künstlerhaus werden. Das Haus gehörte der Stadt. Der Mensch war dessen vorübergehender Patron. Er war ja auch mit dem Bürgermeister befreundet. Am nächsten Tag berichtete ich meinen Mitstudenten von dem kostenlosen Atelierhaus. Jeder wollte dorthin ziehen. Ich musste also entscheiden, wen ich mit ins Boot nahm. Eine Woche später bezogen ich und sieben Kommilitonen offiziell das Vorwerkstift. Nach außen aber taten wir so, als hätten wir es besetzt, damit wir besser vor den Autonomen dastanden.
    Meine Vernissage gestern war sehr gut besucht gewesen. Auch die Betreiber der ›Buch Handlung Welt‹, Hilka Nordhausen, Ulrich Dörrie, Angelika Ohms und Michael Kellner, waren da. Es wurden Unmengen von Alkohol getrunken. Ich hatte gerade eine Affäre mit zwei Lovern gleichzeitig, die beide die ganze Zeit um mich herumwirbelten. Irgendwie hatten sie davon erfahren, dass sie in Konkurrenz standen, und waren völlig überkandidelt. Die Vernissage war schon fast zu Ende, und wir wollten noch zum Tanzen ins ›Kir‹ gehen. Dort zahlte man ab vier Uhr keinen Eintritt mehr. Ich scheuchte die letzten Besucher aus den Fluren raus, die aber nicht gehen wollten, weil sie betrunken waren. Da nahm plötzlich einer der Lover einen Feuerlöscher in die Hand und sprühte damit den Gang im ersten Stock aus. Das Ziel war erreicht. Die letzten Besucher verzogen sich schleunigst. Als wir dann aus dem Haus gingen und ich dabei war, die Tür abzuschließen, entdeckte der zweite Lover im Parterre einen weiteren Feuerlöscher, schnappte sich den und sprühte den Gang im Erdgeschoss aus. Wir fanden die

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