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Hausverbot

Hausverbot

Titel: Hausverbot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mariola Brillowska
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Untermiete. Sie war fast immer daheim. Entweder trank sie Wodka mit ihren Freunden oder war dabei auszunüchtern. Wenn ihr Geld für Alk alle war, lag sie im Bett und las Bücher, die sie sich stapelweise aus der Bezirksbibliothek lieh. Sie schleppte auch Bücher für mich an. Diese Bücher waren viel spannender als die Schullektüre. Mit acht las ich bereits Jugendliteratur. Kalwasowa lehrte mich das Nähen. Ich durfte immer ihr reichhaltiges Wodkaleergut wegbringen und das Geld einsacken. Davon kaufte ich mir Bastelsachen, um Spielzeug daraus zu machen. Manchmal hörte Kalwasowa mein Klingeln nicht. Entweder schlief sie in dem Moment ihren Rausch aus oder machte ihren watschelnden Gang zur Bibliothek. Ich musste irgendwie in die Wohnung reinkommen. Es gab nur einen einzigen Wohnungsschlüssel, und den benutzte mein Vater, um uns nachts nicht zu wecken. Immerhin. Ersatzweise hatte er unter dem Fußabtreter eine Zange deponiert. Die Türklinke hatte er auf der Treppenhausseite abgebaut, damit die Tür zuschnappte, ohne dass man sie abschließen musste. Mit der Zange fasste ich den Stift der inneren Klinke, drehte ihn nach rechts, und die Tür ging auf.
    Ich guckte mir das Telegramm von Anton an. Letztlich war das nur die maschinelle Wiedergabe dessen, was Anton ursprünglich mit der Hand auf ein Telegrammformular geschrieben hatte. Ganz oben standen im Absenderfenster sein Name und seine Adresse. Darunter waren die Fenster mit dem Empfänger und dem Inhalt. Den Text hatte ein Postbeamter in Sopot in einen Fernschreiber eingegeben. Dieser Fernschreiber kodierte den Text, samt Absender und Empfänger, und schickte ihn via elektrischer Impulse an den Fernschreiber in Hamburg. Diese Impulse wurden zurückübersetzt zu Wörtern auf der schmalen Papierrolle. In Hamburg riss ein Postbeamter den Papierstreifen ab und zerschnitt ihn in kurze Stücke. Diese klebte der Postbeamte auf den Telegrammvordruck, den er in ein Kuvert steckte. Ein Telegrammbote lieferte das Kuvert bei mir zu Hause ab. Das Einzige, woran man erkannte, dass ein Telegramm aus Sopot kam, war die Adresse des Absenders. Ich beschloss, mir selber ein Telegramm zu schicken. Auf dem Postamt am Hauptbahnhof telegrafierte ich an meine eigene Adresse: ANTON KRAWACKI ULICA LESNA 17 / 8 SOPOT KAMIENNY POTOK ONKEL GESTORBEN KOMME SCHNELL ANTON . Bewusst nahm ichden Absender mit Adresse in Sopot mit in das Telegramm auf. Damit es nicht auffiel, dass ich das Telegramm an mich selber schickte, trug ich einen fiktiven Absender ein. Ich ging nach Hause und wartete. Eine Stunde später empfing ich den Boten. Nun lag das Ding auf meinem Arbeitstisch. Ich öffnete das Kuvert. Ich packte das Telegramm aus. Ich trug es in die Küche. Auf dem Herd setzte ich Wasser auf. Als es kochte, hielt ich das Telegramm über den Dampf. Die aufgeklebten Textstreifen lösten sich. Ich sortierte sie neu. Auf die Stelle des Absenders klebte ich: ANTON KRAWACKI ULICA LESNA 17 / 8 SOPOT KAMIENNY POTOK . Mich als Empfänger klebte ich in das Empfängerfenster zurück. Als Telegramminhalt klebte ich auf: ONKEL GESTORBEN KOMME SCHNELL ANTON . Ich glättete das Telegramm mit lauwarmem Bügeleisen. Ich schaute mir die präparierte Vorlage für mein Not-Visum an. Perfekt. Zusammen mit meinem deutschen Pass und einem Visumsantrag schickte ich sie an die polnische Botschaft in Bonn. Nach einer Woche kam der Pass mit dem Not-Visum zurück. Ich durfte vom zwölften bis zum siebzehnten Dezember nach Polen reisen. Dabei wollte ich dort doch an Weihnachten sein! Was tun? Beschweren konnte man sich da nicht. Ich betrachtete das Visum sehr genau. Die Ziffern des Datums waren handschriftlich mit Durchschlagpapier eingetragen worden. Sie sahen aus, als wären sie mit Bleistift geschrieben. Ich zögerte nicht lange. Die Einser von Zwölf und Siebzehn retuschierte ich mit Bleistift zu Zweiern um. Jetzt war das Visum vom zweiundzwanzigsten bis zum siebenundzwanzigsten Dezember gültig.
    Das Studentenwerk der Hochschule für bildende Künste in Hamburg hat für Sie fünfhundert Mark auf unser Konto überwiesen. Sie können sich das Geld hier an der Kasse abholen. Und die zweite gute Nachricht ist, dass Sie endlich das Ausreisevisum bekommen werden. Sie sollen so schnell wie möglich nach Danzig fahren , sagte Herr Schneider. Wohin denn da?, fragte ich. Soll ich mich etwa auf das Ausländeramt begeben, das meinen deutschen Pass bereits einkassiert hat? Herr Schneider antwortete: Genau dieses Amt ist für Sie

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