Hausverbot
zuständig . Es ist alles geklärt. Die polnischen Behörden wissen Bescheid. Glauben Sie mir einfach. Machen Sie sich am besten noch heute auf den Weg. Das wird auf jeden Fall klappen. Wenn Sie nicht trödeln, sind Sie morgen wieder in Hamburg . Auf dem Weg zum Ausländeramt gehen Sie am besten in einem Reisebüro vorbei und buchen ein Ticket. Das beschleunigt das Ganze. Wenn Sie im Besitz eines Tickets sind, muss Ihnen das Ausländeramt das Visum sofort ausstellen. Bloß keine Angst. Nur zu, Frau Bzozadzewski . Herr Schneider hatte es eilig. Es war Mittagszeit. Er reichte mir zum Abschied die Hand. Ich korrigierte ihn: Brzozadrzewska . Es war zum Verzweifeln. Herr Schneider sprach meinen Namen immer falsch aus. Wie jeder Deutsche. Weil die polnische Aussprache offenbar nicht für deutsche Zungen gemacht war. Dabei hätte ich mich in fast jeden Deutschen verlieben können, wenn er nur etwas Polnisch gesprochen hätte. Sogar in Herrn Schneider. Die Deutschen lobten oft das gute Aussehen von uns Polinnen. Hätte er sich etwas Mühe mit der polnischen Sprache gegeben, hätte er mich haben können. Obendrein beendete Herr Schneider wie jeder Deutsche meinen Nachnamen mit › i‹. Er arbeitete schon seit Jahren in der deutschen Botschaft in Warschau. Hundertprozentig musste er mitbekommen haben, dass in Polen die weiblichen Nachnamen mit › a‹ und nicht wie die männlichen mit › i‹ endeten. Mir war das recht unangenehm, wenn er mich als Mann ansprach. Ich sah zwar nicht typisch weiblich aus und war eher das Gegenteil von einer Tussi, aber als Mann kam ich wirklich nicht durch. Es machte mich auch irgendwie traurig, dass Herrn Schneider die polnische Sprache am Arsch vorbeiging. Ich war im Moment sowieso sehr aufgewühlt, wegen der Heimat und so.
Kann sein, dass ich nur deswegen wieder nach Hause gewollt hatte, weil es zu Reibungen mit James gekommen war. Mit ihm lief es nur zu Anfang gut. Solange alles noch ein Abenteuer war. Meine Kleptomanie nahm wegen ihm exzessiv zu. Anscheinend wollte ich mich vor ihm beweisen. Ungefähr zweimal die Woche klaute ich in der Delikatessenetage des Alsterhauses, was an teuersten Lebensmitteln und Alkoholika in einen Einkaufswagen reinpasste. Die Delikatessenetage befand sich im fünften Stock. Im Erdgeschoss kaufte ich erst mal pro forma irgendwelche sperrigen Sachen wie zum Beispiel Klopapier, Flüssigweichspüler und so weiter. Das verstauten die Verkäuferinnen in riesengroßen Plastiktüten, die sie mir überreichten. Mit diesen Einkaufstüten fuhr ich mit dem Fahrstuhl in den fünften Stock. Dort standen an der Rolltreppe die Einkaufswagen. Ich nahm einen, in den ich die Einkaufstüten legte. Ich schob ihn durch die Regalreihen und stöberte nach Waren. Bevor ich ein Produkt in den Wagen legte, verglich ich die Preise. Ich wählte immer das teuerste Produkt aus. Wenn schon, denn schon. Es war üblich, dass man in dieser Delikatessenetage die Einkäufe entweder einzeln in jeder Warenabteilung oder alles zusammen zum Schluss bezahlte. Wenn der Wagen gut gefüllt war, schob ich ihn wieder an die Rolltreppe ran, packte den Einkauf in die halbleeren Tüten mit den unten gekauften Sachen rein. Es kam vor, dass nicht alles reinpasste, dann holte ich mir an einer der Kassen für zehn Pfennig eine Einkaufstüte dazu. Die vollen Tüten trug ich zum Fahrstuhl, mit dem ich wieder runter ins Erdgeschoss fuhr. Bevor ich rausging, bat ich eine Kaufhausangestellte, sie möge mir ein Taxi rufen. Ich hätte auch zu Fuß gehen können, denn ich brauchte nur zehn Minuten bis nach Hause, aber ich fand, dass das Taxi-Nehmen dazugehörte. Weil ich bei dem Unterfangen die Rolle einer jener braungebrannten Blondinen nachspielte, von denen nicht wenige im Alsterhaus rumliefen. Sie kamen alle aus dem betuchten Eppendorf, um in dem teuersten Hamburger Warenhaus so viel einzukaufen, wie sie gerade zum Taxi tragen konnten. Sie bepackten sich dermaßen, weil für sie das alles ja auch nichts kostete, im Vergleich zu den Apothekenpreisen in ihrem Stadtteil. Das Warten auf das Taxi war eine Zitterpartie. Ich rechnete jeden Moment damit, dass man mir die Tour am Ende eventuell doch noch vermasselte. Wenn ich endlich im Taxi saß, wagte ich es, die Luft auszupusten, die ich die ganze Zeit angehalten hatte. Aber erst, wenn das Taxi mich schließlich vor der Haustür absetzte, begann ich wieder ruhiger zu atmen. Ich schloss die Tür meines Ateliers auf, ging rein, legte die Tüten aufs Bett, leerte sie aus,
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