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Hausverbot

Hausverbot

Titel: Hausverbot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mariola Brillowska
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beinahe als aggressiv bezeichnen. Ich fragte jeden und überall nach Finanzierungsmöglichkeiten. Offenbar fand man mich als Polin doch interessanter als irgendeine Französin und ließ mich die deutsche Kunstlangeweile etwas aufmischen. Dennoch ging meine Karriere nicht richtig los. Das Hindernis bestand darin, dass ich das erworbene Kulturgeld immer durch drei, ab und an wegen Romek auch durch vier teilen musste.
    James erwirtschaftete aus seinen Fahrradreparaturen und den Renovierungsjobs höchstens Taschengeld. Er kostete aber einiges an Kohle. Er produzierte immer größere Bilder, quasi als Reaktion auf meine Erfolge. Er benutzte keinen Pinsel, sondern eine Gummirakel wie der berühmte Gerhard Richter. Genau wie Richter klatschte er kilogrammweise Ölfarbe auf die Leinwand und schob sie wie mit einem Scheibenwischer hin und her. Dabei zählte nicht das ästhetische Ergebnis, sondern die Demonstration des Kraftakts. Es interessierte sowieso niemanden, wie die Bilder der modernen Künstler aussahen. Die Sammler kauften nicht nach dem Äußeren, sondern nach dem Hintergründigen. Es zählte der Name des Künstlers, bei wem er studiert hatte, wer ihn empfohlen, wer ihn ausgestellt und wer ihn bisher gekauft oder versteigert hatte. Ich weigerte mich, die Komplexität des Kunstbetriebs zu begreifen und dazuzugehören. Ich konzentrierte mich darauf, meine Kunst medial und narrativ zu entwickeln. Deswegen hatte ich begonnen, Trickfilme und Comics zu machen. Die Malerei fand ich letztlich zu elitär, zu statisch, zu unkommunikativ. Nachdem ich mich an ein paar diesbezüglichen Ausstellungen beteiligt hatte, checkte ich, dass nur einzelne Auserwählte in den Kunstbetrieb, in die Höhle des Furchtbaren reingelassen wurden. Wenn das geschah, mussten sie so tanzen, wie man es von ihnen erwartete. Mit mir konnte das niemand machen. Ich kam aus einer anderen Kultur. Ich stammte aus dem sozialistischen Polen, wo der Bürger die freie Entscheidung vorzog. Ich pfiff auf Konventionen. Das Geschwafel der Kuratoren und Galeristen verachtete ich zutiefst. James hatte die Natur mit Zuhältergenen ausgestattet. Er wollte unbedingt die Höhle des Furchtbaren von innen kennenlernen. Er schielte da immer wieder hin. Leider ließ ihn niemand rein. Seine unerfüllten Träume kumulierten. Er schimpfte, änderte aber nichts. Ich musste das jeden Tag ertragen. Im Inneren sträubte ich mich dagegen. Ich fühlte, dass die Zeit mit James bald vorüber sein würde.
    Vorerst knüpfte ich mir aber dieses Arschloch Romek vor. Ich war total wütend auf ihn. Er hätte wenigstens zu dem Begräbnis von Beata kommen können. Ich ging zu ihm nach Hause. Ich wollte von ihm die Hälfte der Kohle für die Bestattung haben. Ich klingelte an der Tür. Eine männliche Stimme mit polnischem Akzent meldete sich. Sie sagte, Romek sei nicht daheim. Ich hatte den Wohnungsschlüssel. Die Bude lief sowieso auf meinen Namen. James, Gina und ich waren in dieser Wohnung gemeldet, weil das in unserem Atelier wegen des Gewerbemietvertrags nicht ging. Ich leerte den Briefkasten aus. Ich fand ausschließlich Briefe von der SAGA . Ich ging in die Wohnung rein. Ich traute meinen Augen nicht. Es hielten sich dort mehrere polnische Männer auf, die wie Gastarbeiter aussahen. Sie hatten weiße Unterhemden und Trainingshosen an. Mein Kommen überraschte sie. Ich stellte mich als die Schwester von Romek und die Hauptmieterin vor. Sie gaben sich wiederum als die Untermieter von Romek aus. Aha. Ich zählte neun Männer. Ich pickte mir den ältesten von ihnen als Sprecher raus.
    - Wie heißen Sie?
    - Wawrzyniec Szczebrzeszynski.
    - Lola Brzozadrzewska.
    Ich überreichte ihm meine Hand, die er in polnischer Tradition küsste.
    - Wie viele seid ihr insgesamt?
    - Zwölf.
    - Mit oder ohne meinen Bruder?
    - Ohne.
    - Wo ist er denn eigentlich?
    - Im Krankenhaus.
    - Was? In welchem?
    - Im Ochsenzoll.
    Na bitte. Bald hatte er sein Ziel erreicht. Mit der permanent simulierten Arbeitsunfähigkeit konnte Romek demnächst ein Frührentner werden. Dass er sich mit vorgetäuschter Impotenz ins Irrenhaus einweisen ließ, fand ich trotz allem schlau. Bei aller Dummheit hatte der Bursche nach wie vor raffinierte Tricks auf Lager. Auch dass er in der Zeit seine Mietschulden schmälern wollte, musste ich ihm irgendwie zugutehalten. Trotzdem ging das hier auf diesen vierzig Quadratmetern auf keinen Fall. Für zwölf Mann war die Wohnung eindeutig zu klein. Sie lagen überall auf Matratzen und rauchten.

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