Haut aus Seide
Diät zu Diät lebte und im schlechtesten Sinne des Wortes eine echte Fotze war. Ihre Tentakel reichten bis in die verstecktesten Ecken der Pariser Gesellschaft: Mode, Finanzen, Politik. Beim Klang ihrer Stimme wich alle Farbe aus Philips Gesicht. Er musste nicht extra darauf aufmerksam gemacht werden, wie schlecht es war, dass ausgerechnet diese Frau Zeugin seiner Liebesbekundungen geworden war.
Und Marie ließ ihm typischerweise nicht eine Sekunde Zeit, sich von dem Schock zu erholen. »Wie lange ist das wohl her, Philip? Wir haben uns doch wohl nicht wirklich das letzte Mal bei Eves Beerdigung gesehen, non ? Sind es tatsächlich schon sechs lange Monate?«
»Sieben, um genau zu sein«, erwiderte Philip mit verkniffenen Lippen.
»In der Tat! Na ja, kein Wunder, dass ihr euch da noch gegenseitig trösten müsst.« Sie drehte sich mit schiefem
Lächeln zu Béatrix um. Ihre Augen, wissend und verächtlich, schienen jeden Zentimeter Haut zu studieren, der sich unter Beas schlichtem geblümten Kleid verbarg. »Und du, Bea – du siehst ja aus wie … das blühende Leben. Wie immer.«
»Danke.« Béatrix gab sich alle Mühe, ihre Stimme so neutral wie möglich klingen zu lassen. »Ich hoffe, du warst nicht krank, Marie. Du siehst aus, als hättest du abgenommen.«
Philip hustete in seine Serviette. Marie öffnete ihren verhärmten Mund für eine Antwort, brachte jedoch keine hervor. Wahrscheinlich war sie einfach zu sehr daran gewöhnt, dass ihre dürre Figur ansonsten nur Neid hervorrief. Stattdessen wandte sie ihre Aufmerksamkeit erneut Philip zu. Er hatte sich mittlerweile wieder gefangen, und sie legte ihm auf familiäre Weise die Hand auf die Schulter. »Du musst mich und Gustave irgendwann mal besuchen. Er sagte gerade neulich zu mir, wie lange es doch schon her sei, dass wir zusammen essen konnten.«
Ihre Hand strich über sein Sakko – eine bedrohliche, gleichzeitig aber auch sexuelle Geste. Maries Nägel waren in einem schweren, grellen Rotton lackiert. Fast so, als sollten sie davon ablenken, dass zumindest ihre Hände gealtert waren. Sie war jedenfalls keine Frau, die besonders zufrieden mit ihrem Alter war. Von Eves Freundinnen war sie diejenige gewesen, die ihre Eifersucht auf Philip am wenigsten im Zaum hatte halten können. Eve hatte allerdings auch alles dafür getan, dieses Feuer zu schüren. Dass ihre Freundinnen grün vor Neid auf Philip waren, hatte sehr zu dem Vergnügen beigetragen, einen jüngeren Ehemann zu haben. Die Art, wie Marie Philip
berührte, ließ Béatrix schaudern. Die alte Spinne hielt ihn ganz offensichtlich für Freiwild, nachdem Eve nun aus dem Weg war. Dass sie nur Minuten zuvor gesehen hatte, wie er Béatrix küsste, schien dabei keinerlei Rolle zu spielen. Vielleicht war sie der Ansicht, dass sie nur genug bieten musste, um ihn in die Mitte ihres Netzes tragen zu können.
Aber Philip war kein Möbelstück mit einem Preisschild dran. Das war er nie gewesen. Béatrix war seiner Schönheit gegenüber zwar nicht immun, aber es hatte weder an seiner Attraktivität gelegen noch an der Tatsache, dass er mit ihrer Mutter verheiratet gewesen war. Diese Dinge hatten eher dafür gesorgt, dass sie ihm misstraute. Nein, es war stets der Mensch hinter der schönen Fassade, in den sie sich verliebt hat.
Sie griff über den Tisch hinweg nach seiner Hand. »Philip wird sicher sehr gern mit dir und deinem Mann essen gehen. Dein Gatte ist sicher auch sehr an den neuesten Entwicklungen von Meilleurs Amis interessiert.«
Maries Hand glitt äußerst widerwillig von Philips Schulter.
»Allerdings«, sagte sie, und ihre Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, das fast einer Parodie glich. »Ich bin überzeugt, dass die neuesten Entwicklungen ihn sehr interessieren werden.«
Trotz der bestens funktionierenden Klimaanlage im Excelsior war Philip schweißgebadet, als sie ihre Suite betraten. Der champagnerfarbene Teppich beruhigte ihn genauso wenig wie der elegant vergoldete Stuck. Er ging direkt an die Bar, goss sich einen Whisky ein und leerte das Glas in einem Zug. Mit dem zweiten ließ er sich gerade
so viel Zeit, um sich von Sakko und Krawatte zu befreien. Wäre es doch nur ebenso einfach, sich der Erinnerung an den Klauengriff dieser Person zu entledigen.
Marie d’Ardennes hatte mehr als einmal versucht, ihn zu verführen. Es war Philip zwar immer gelungen, sie abzuschütteln, aber jetzt schien der Zeitpunkt gekommen, an dem er für diese Ablehnung bezahlen musste. Als Eve noch am
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