Haut aus Seide
Schließlich war es wundervoll, Träume zu haben.
Philip stand hinter ihr, während seine Geliebte das Werk des alten Meisters betrachtete. Sein Kinn ruhte auf ihrem Kopf, und er hatte die Arme um sie gelegt. Bea war sicher, dass er Genialität zu schätzen wusste. Schließlich war er selbst einmal Künstler gewesen und hatte lange genug studiert, um einen Zugang zu diesen Dingen zu haben.
Keiner von ihnen sprach ein Wort. Die Kirche war kühl und still. Das Paar war umgeben von der Vergangenheit. Und auch wenn diese steinerne Vergangenheit bereits Anzeichen ihrer Vergänglichkeit zeigte, so war sie doch nicht weniger ehrfurchtgebietend.
Caravaggio war durch diese Straßen gegangen. Genau wie Michelangelo, Mussolini und Julius Caesar. Genau wie die unnachahmliche Sophie Clouet und genau wie Béatrix selbst.
»Wollen wir jetzt zur Via Condotti fahren und uns die Meilleurs-Amis -Filiale ansehen?«, fragte Philip irgendwann und gab ihr einen Kuss aufs Haar.
»Ja«, stimmte sie zu, obwohl die Boutique ihr in diesem Moment herzlich egal war.
Glücklicherweise wurde es nur ein kurzer Besuch. Die Einheimischen führten das Geschäft auf ihre Weise, und weil der Laden durchaus florierte, spürte Philip nicht das Verlangen, sich einzumischen. Er kaufte einen Strohhut für Bea – eine alberne, schulmädchenhafte Kreation mit gelben Bändchen. Sie sah damit aus wie eine große, plumpe Madeleine.
»Sonst verbrennst du dir noch dein hübsches Gesicht«, erklärte Philip, als er ihr den Hut auf den Kopf setzte.
Die Filialleiterin zwinkerte ihr zu, als wolle sie Bea zu dem verliebten Mann an ihrer Seite gratulieren.
Béatrix lächelte zurück und zog den Kopf etwas ein. Es stimmte zwar nicht, was die Verkäuferin da vermutete, aber sie hatte nichts dagegen einzuwenden.
»Und wohin jetzt?«, fragte Philip.
»Fahr einfach«, antwortete sie. »Fahr irgendwohin, wo es schattig ist.«
Er kannte nicht nur die Stadt, sondern auch die knatternde Maschine, auf der sie saßen. So fühlte Bea sich sogar dann noch sicher, als die Autos langsam wieder die Straßen füllten. Sie fuhren zurück in Richtung Süden, vorbei am Kolosseum und auf die Via Appia. Der Verkehr war hier mörderisch. Doch je mehr er sich ausdünnte, desto mehr spürte Bea die Vibration der Vespa und Philips Körper. Er trug seine alten Freizeitklamotten – ausgebleichte Jeans, ein weites, weißes Hemd mit hochgerollten Ärmeln und keinen Schlips. Seine Brust fühlte sich ganz fest unter ihren Armen an, und sie spürte die Wärme seiner Schenkel zwischen ihren Beinen. Er schien in dieser Stadt wieder der Mann zu sein, der er vor der
Hochzeit mit ihrer Mutter gewesen war. Der Mann, in den sie sich einst sofort verknallt hatte. Heute wollte sie ihn sogar noch mehr als damals. Heute wusste sie, was sich hinter dieser lässigen Kleidung verbarg.
Plötzlich begann seine Brust, sich zu heben und zu senken – fast als spüre er, dass ihre Wahrnehmung sich gerade veränderte. Bea ließ eine Hand in die Beuge fallen, wo das Bein auf den Rumpf trifft. Als sie spürte, dass ein Schaudern über seinen Rücken ging, leckte sie ihrem Fahrer beglückt einen Schweißtropfen vom Nacken.
Philip sagte irgendetwas, das sie wegen des lauten Motors nicht verstehen konnte. Er legte seine Hand auf die ihre und strich mit dem Daumen über einen Finger, bevor er sie zurück an den Lenker legte.
Béatrix lächelte. Sie wusste genau, dass ihre öffentlich zur Schau gestellte Zuneigung ausreichte, um ihn hart werden zu lassen. Sie bewegte den Zeigefinger, um damit seitlich an seinen Hoden entlangzustreifen. Das Rumpeln der Vespa schüttelte ihn genauso tüchtig durch wie sie. Sehr schön , dachte sie und rieb über den ausgedünnten Denimstoff. Seine Fingerknöchel wurden ganz weiß auf den Lenkergriffen. Als sie endlich ein schattiges Plätzchen von der Straße aus sahen, fuhr Philip sofort rechts ran. In der Nähe befand sich ein altes Grabmal, in dessen zerbröckelndem Stein immer noch die in Marmor gemeißelten Porträts der Familie zu erkennen waren. Es handelte sich um eine Gruft aus den Vierzigerjahren, als Italien zur Republik geworden war und Begräbnisse innerhalb der Stadtmauern verboten waren. Leider hatte die Luftverschmutzung die Hälfte der Steinmetzarbeiten schon zerfressen.
Aber es war nicht der Zustand der Gruft, die Philip
stöhnend von der Vespa steigen ließ. »Das verdammte Ding ist ja der reinste Vibrator!«, schimpfte er nicht ganz ernst gemeint und rieb sich
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