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Haut

Haut

Titel: Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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Schlagstock in der Hand zu sehen.«
    »Schön, Sie auf zwei Beinen zu sehen statt auf dem Boden.«
    »War übel, nicht?«
    »Nicht Ihre größte Stunde, nehme ich an. Oder meine. Ich weiß immer noch nicht, welche Axt mir auf den Kopf fallen wird. Ich kriege dauernd Mitteilungen von der Gesundheitsabteilung: Ich hätte ein Recht auf Krisenbewältigungsberatung, wissen Sie. Wegen des Traumas. Ich bin aber noch nicht hingegangen.«
    »Ich auch nicht.«
    »Ich wollte Sie anrufen. Mich entschuldigen.«
    »Wofür entschuldigen?«
    »Dafür.« Sie zeigte auf sein Bein. »Wegen Ihres Knöchels. Was ich da getan habe. Ich wollte Sie nicht verletzen.«
    Er schaute auf seine Füße hinunter und schüttelte kurz das Hosenbein. Um zu verhindern, dass er das Arschloch totschlug, das sie bei der Operation-Norwegen-Razzia verhaftet hatten, hatte sie mit ihrem stählernen ASP-Schlagstock auf Cafferys Fußknöchel geschlagen. Anders war er nicht zur Besinnung zu bringen gewesen.
    »Sie hinken nicht. Ich dachte, Sie würden's vielleicht.«
    »Nein. Ich hinke nicht.«
    »Ich hab's keinem erzählt. Was Sie getan haben.«
    »Hab ich schon gemerkt. Niemand ist zu mir gekommen.«
    »Zur Hälfte bedaure ich, dass ich Sie gestoppt habe. Vielleicht hätte ich doch gern gesehen, wie Sie ihm den Schädel einschlagen.«
    »Nett.«
    Sie zuckte die Achseln. »Ehrlich.«
    »Danke. Dass Sie es niemandem gesagt haben.« Er sah sie lange an. Und dann, als sie gerade antworten wollte, warf er einen Blick auf ihre Brüste. Nur für einen Sekundenbruchteil, aber es genügte.
    »Das hab ich gesehen.«
    »Ich konnte nicht anders. Sorry.«
    »Sie sind ein Vorgesetzter. Sie dürfen mich nicht so ansehen. Das ist erniedrigend.«
    Er schwieg kurz und hob eine Braue. »Hmm. Ist das die Ankündigung eines Arbeitsgerichtsverfahrens? Wegen sexueller Belästigung?«
    Sie hörte auf zu lächeln. Plötzlich war ihr leicht und beschwingt zumute, als wäre sie soeben aus einem langen Schlaf erwacht. »Sind Sie deshalb hergekommen? Um herauszufinden, ob Sie sich eine Beschwerde von mir einhandeln können? Ist das ein bei der MCIU übliches Initiationsritual unter Männern?«
    »Ein Initiationsritual?« Lächelnd verzog er seinen Mund. »Nein. Tut mir leid.« Er deutete auf den Van der Rechtsmedizin. Die Tür stand offen. Drinnen leuchtete hell orange und verschwommen der Leichensack mit Lucy auf der Trage. »Ich bin ihretwegen hier. Haben Sie sie schon übergeben?«
    »Der Papierkram wird gerade erledigt.«
    »Haben Sie noch Atemmasken in Reserve?«
    »Natürlich. Ich habe immer zwei oder drei, damit die Spurensicherer nicht kotzen.«
    »Ich würde sie gern sehen, bevor sie in die Rechtsmedizin gebracht wird.«
    »Ich dachte, den Fall bearbeitet die District Police?«
    »Tut sie auch. Ich bin eigentlich gar nicht hier. Bin nur neugierig.«
    Sie zog eine Braue hoch. »Hmm. Eine Leiche. Weiblich, voll bekleidet, einschließlich Unterhose. Rock nicht hochgezogen oder sonst wie manipuliert. Ein Tablettenröhrchen neben ihr, ein Abschiedsbrief. Ich hab ein Teppichmesser aus dem Modder gezogen; damit hat sie sich die Pulsadern aufgeschnitten. Für mich sieht das zu neunundneunzig Komma neun Prozent nach Selbstmord aus. Der Doktor wird seine Brötchen heute nicht besonders schwer verdienen müssen.« Sie sah ihn argwöhnisch an. »Also wieso die MCIU? Es kann Sie doch gar nicht interessieren?«
    Caffery warf einen Blick hinüber zu der Kriminaltechnikerin. Sie hatte den Kopf gesenkt und tat, als hörte sie nicht zu. Er wandte ihr den Rücken zu. »Okay«, sagte er mit gedämpfter Stimme, »letzte Woche gab es nur ein paar Meilen weit von hier einen Suizid. Ein junger Kerl. Ben Jakes.«
    »War keiner von meinen Fällen.«
    »Nein. Entschuldigen Sie, wenn ich unhöflich bin, aber vielleicht war er auch ein bisschen zu frisch für Sie. Er wurde schon nach ein paar Stunden gefunden.«
    »Hier in dieser Gegend gibt es viele Selbstmorde.«
    »Möglich, aber der da war anders. Jemand hat sich nach dem Exitus an der Leiche zu schaffen gemacht.«
    »Was hat er getan?«
    »Haare abgeschnitten, genauer gesagt, abrasiert. Am Hinterkopf. Der Psychologe meint, es hat was Rituelles.« Caffery kippte sich den Rest Red Bull in den Mund, knüllte die Dose halb zusammen und steckte sie ein. Eine Bullengewohnheit: So nah am Schauplatz eines möglichen Verbrechens tat man manches automatisch. »>Rituell<, hat er gesagt. Klingelt da was?«
    »Sie meinen Operation Norwegen?«
    »Genau. Und es macht

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