Haut
für eine Welt?
Ihr Blick geht wieder zum Telefon, zu Stevies Nummer, zur Uhr. Es ist gleich fünf. Er wird jetzt auf dem Weg zum Pub sein. Sie wählt die Nummer, und seine Mailbox meldet sich. »Stevie, Herzchen, ich bin's, Mum. Schatz, ruf Mummy mal zurück, ja? Komm mal vorbei, ja? Ich hätte da eine Kleinigkeit zu besprechen.«
33
Caffery hing aus dem Fenster seines Büros in der MCIU in Kingswood und rauchte schuldbewusst eine Selbstgedrehte. Er beobachtete, wie der Typ von der Halal-Metzgerei seinen Laden zumachte. Einer der DCs im Büro erzählte gern, wie die Blödmänner in dem chinesischen Supermarkt zwei Häuser weiter vor ein oder zwei Jahren mal neidisch darauf waren, wie gut das Geschäft dieses Metzgers lief. Sie kamen zu dem Schluss, dass es alles nur mit dem Wort »Halal« zu tun hatte. Also schrieben sie es sorgfältig ab und malten es auf ein Schild, das sie ins Schaufenster hängten. Halal-Rindfleisch im Angebot. Halal-Hühnchen. Halal-Schweinefleisch. Schweinefleisch. Das Schweinefleisch hatte der Metzger als Beleidigung aufgefasst, ihm war der Kragen geplatzt, und er hatte die Sense geschwungen. Eine Zeit lang hatte es ausgesehen, als wäre da draußen ein Bandenkrieg im Gange. Caffery rauchte langsam und schaute aus dem Fenster auf die Metzgerei hinunter. Er war aus London, und er begriff nicht, wieso der DC diese Geschichte erwähnenswert fand. In Lewisham passierte so was jeden Tag.
Er schnippte die Kippe auf die Straße und ging an seinen Schreibtisch. Er musste mit Powers sprechen, aber der Superintendent war auf dem Opernfestival in Glyndebourne - nicht zu fassen! - und hatte sein Telefon abgeschaltet. Seit sie mit dem Fall Misty Kitson betraut wurden, hatte er täglich sechzehn Stunden gearbeitet, aber heute hatte seine Frau Karten für die Premiere von La Cenerentola, und in Anbetracht dessen, was sie sich im Lauf der Jahre hatte gefallen lassen, war er klug genug, sie jetzt nicht zu enttäuschen. Nach der Pressekonferenz am Morgen war er sofort nach Hause gefahren und hatte Smoking und Picknickkorb von Mottenkugeln befreit. Aber er hatte Caffery eine kleine Nachricht hinterlassen: Fotos von der Schauspielerin, die beim Ortstermin Misty Kitson gespielt hatte, klebten über den Obduktionsfotos von Ben Jakes und Jonah Dundas.
Er löste sorgfältig den Klebstreifen ab und nahm die Fotos herunter. Dann schob er sie zusammen und steckte sie in einen Umschlag. Bei dem Bild von Mistys Jacke zögerte er kurz. Violett - und aus Samt. Etwas an dem Stoff machte ihn stutzig. Es hatte etwas mit einem Auto zu tun, etwas, das ihn an ein Auto und an die Jacke denken ließ. Auto, Jacke. Auto, Jacke. Er versuchte, die beiden Bilder zusammenzubringen, aber es gelang ihm nicht.
Bei dem Ortstermin hatte sich bisher nichts ergeben. Kein Verdächtiger war im Gebüsch mit seinem Schwanz in der Hand ertappt worden, wie die Psychologen es vorausgesagt hatten. Das ganze Team wurde wahnsinnig bei dem Gedanken daran, über wie wenig Indizien sie für die weiteren Ermittlungen verfügten: die Aussage der Zeugen aus der Rehaklinik, die sie zuletzt gesehen hatten, und eine Aussage ihres Freundes. Mit Sicherheit wussten sie nur, dass eine andere Patientin ein paar Leckereien hereingeschmuggelt, es eine Party gegeben und Misty kurz nach zwei das Gebäude durch den Haupteingang verlassen hatte. Noch auf dem Gelände hatte sie ihren Boyfriend angerufen. Es war ein tränenreiches Gespräch gewesen; sie hatte ihm gesagt, sie mache jetzt einen Spaziergang, weil sie Zeit zum Nachdenken brauche, und sie halte es in diesem Laden nicht eine Sekunde länger aus. Sie werde vor fünf wieder in der Klinik sein. Der Boyfriend war ohnehin schon sauer auf sie gewesen; das gab er bei der Vernehmung zu: Mit seinen im Mittelfeld sauer verdienten Pennys bezahlte er die Klinik. Jedenfalls kam es zum Streit. Sie legte auf, er rief nicht zurück. Erst als die Klinik sich ein paar Stunden später telefonisch bei ihm meldete, wurde ihm klar, dass etwas nicht stimmte.
Cafferys Handy klingelte. Es war Powers. Caffery legte die Fotos in die oberste Schublade und rückte den Stuhl nah an den Schreibtisch. Zeit für ein Gespräch.
»'n Abend, Boss. Sind Sie noch unten in Sussex?«
»Hören Sie auf. Scheiß Cenerentola. Musste bis zur Pause warten, bis ich das Telefon aus der Tasche holen durfte - und jetzt steht sie da drüben und verhext mich mit dem bösen Blick.«
»Wie ist das Wetter?«
»Das reinste Schlammbad. Sie sagt dauernd,
Weitere Kostenlose Bücher