Haut
zurückzunehmen. Sie bleibt entschieden dabei. Das einzig Wacklige ist das Temazepam. Wenn sie überhaupt einen Grund zum Zweifeln hat, dann ist es das. Als Lucy starb, war sie vollgestopft mit B enzodiazepinen.«
»Ihr Hausarzt hat ihr gesagt, dass sie davon süchtig wird, und sie solle lieber mal einen ordentlichen Gin Tonic trinken. Aber sie konnte ihn um den Finger wickeln. Der Medizinschrank im Bad war rappelvoll mit dem Zeug. Das hat mir Angst gemacht, wegen Daisy. Und? Bekomme ich noch eine Antwort? Behandeln Sie den Fall als Mord?«
»Nicht offiziell. Aber nehmen wir theoretisch an, wir beide gehen davon aus, dass es einer war?«
»Für mich ist das keine Annahme, sondern eine Tatsache.«
»Dann stellt sich als Nächstes die Frage nach dem Täter. Wer ist verdächtig, wer hätte ein Motiv haben können?«
Mahoney spreizte die Hände, um zu zeigen, dass er es nicht wusste.
»Wir vermuten, dass jemand mit dem verschwundenen Schlüssel in ihr Haus eingedrungen ist. Vielleicht, nachdem es passiert war, ja? Um Spuren zu beseitigen und alles sauber zu machen. Oder könnte der Täter sonst noch etwas gewollt haben? Haben Sie nachgesehen, ob etwas fehlt?«
»Soweit ich es beurteilen kann, fehlt da nichts. Nur das Teppichmesser und der Schlüssel.«
»Aber wer immer den hat, kann rein und raus.«
»Nein, kann er nicht. Ich hab das Schloss ausgewechselt. Ich selbst, heute Morgen.«
Die Vorspeise kam - Haloumi-Brot, mit Käsebröckchen gefüllt, noch warm und glänzend von Öl. Kümmelkörner schimmerten wie feine schwarze Adern durch die Kruste. Die Männer aßen schweigend und schauten dabei hinaus auf die Hängebrücke. Die Sonne funkelte auf dem schokoladenbraunen Fluss darunter.
»Ich habe letzte Nacht die Zeugenaussagen im Zusammenhang mit der Vermisstenmeldung gelesen«, sagte Caffery. »Erzählen Sie mir ein bisschen mehr darüber, wie es passiert ist. Sie ist am Sonntag um siebzehn Uhr dreißig verschwunden?«
»Da hab ich sie das letzte Mal gesehen.«
»Und am Montag haben Sie die Polizei angerufen?«
»Ja.«
»Das war fast vierundzwanzig Stunden später. Warum haben Sie gewartet?«
»Ich hielt es nicht für angebracht. Erst, als sie nicht erschien, um Daisy von der Schule abzuholen.«
»Nicht für angebracht? Aber sie war verschwunden.«
»Das wusste ich ja nicht. Nicht zu diesem Zeitpunkt. Sie hat nur meine Anrufe nicht erwidert. Aber wenn sie Lust hatte, die ganze Nacht wegzubleiben, ging es mich nichts mehr an.«
»Seit wann sind Sie geschieden?«
»Seit einem Jahr. Getrennt seit zwei Jahren.«
»Aber Sie hatten immer noch ein enges Verhältnis?«
»Zuerst nicht. Daisy kam mit mir zusammen zu meiner Mutter; so war es von vornherein vereinbart; und anfangs wartete Lucy mit ihren Besuchen immer, bis ich in der Arbeit war. Ich habe sie ein Jahr lang nicht gesehen; wir haben es geschafft, einander aus dem Weg zu gehen. Es wurde dann ein bisschen entspannter, als die Scheidung ausgesprochen wurde. Wir legten ein paar alte Streitigkeiten bei und sprachen wieder miteinander, um Daisys willen. Lucy hatte sich in dieser Zeit verändert. Das haben Sie doch auch gesehen, oder? In dem Video?«
»Warum haben Sie sich getrennt? Unter welchen Umständen?«
»Ich bin gegangen. Es gab nichts mehr, was uns verband. Wir hatten uns auseinandergelebt.«
»Auseinandergelebt - das klingt nach einem Vorwand, den man benutzt, um etwas anderes nicht zu sagen.«
Mahoney lächelte nervös. »Ich weiß nicht, aber Sie reden hier mit mir, als stünde ich vor Gericht.«
»Nein. Ich versuche nur, mir ein Bild zu machen. In dem, was Sie mir sagen, liegt vielleicht der Schlüssel zu dem Ganzen, selbst wenn Ihnen das nicht bewusst ist. Hatte Lucy einen Freund? Sie war eine attraktive Frau.«
Mahoney faltete die Serviette auf seinem Schoß zusammen. Das restliche Essen war schon bestellt, aber er nahm trotzdem die Speisekarte in die Hand und studierte sie.
»Colin? Ich habe gefragt, ob Lucy einen Freund hatte.«
Mahoney hustete. »Ob ich vielleicht besser das Schweinebraten-Sandwich bestellt hätte? Im Sommer machen sie hier jeden Mittwoch einen Spießbraten auf der Straße, für die Leute aus den Büros. Ein ganzes Schwein am Spieß. Man isst es aus der Hand, von einer Serviette. Sehr gut mit Somerset-Apple-Sauce.«
Caffery lehnte sich zurück und beobachtete ihn. Wieder musste er an seine Mutter denken. Er fragte sich, ob sie noch Schmerz empfand, und ob es jetzt ein körperlicher Schmerz war, ein Schmerz in
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