Haut
wusste. Es wurde nicht angezeigt.«
»Nicht angezeigt? Was ist denn dann mit der...?« Die neue Dimension wurde ihr schlagartig bewusst. Sie stützte die Ellbogen auf das Autodach und legte das Gesicht in die Hände. »Mein Gott. Mein Gott. Mein Gott.«
»Wir können etwas tun.«
»Das ist das Ende von allem.«
»Mandy, beruhige dich. Thom und ich haben darüber gesprochen, es ist noch nicht alles verloren. Wir müssen ihn in die Klinik bringen und eine Verteidigung konstruieren. Aber wir haben nicht viel Zeit.«
»Eine Verteidigung konstruieren? Du meinst, du willst lügen? Warum? Warum willst du das tun?«
»Weil er mein Bruder ist. Weil ich eine Scheißwut auf ihn habe und ihm am liebsten die Augen auskratzen würde. Aber er ist trotzdem mein Bruder, und ich liebe ihn.«
Mandy legte einen Finger an die Kehle, als wäre dort ein kleiner Klumpen. Dann schob sie den Ärmel zurück und sah auf die Uhr, als könnte sie damit alles unter Kontrolle halten und verhindern, dass die Welt aus den Fugen geriet. Donner grollte in der Ferne. Ein Vogel flatterte von einer der Zypressen auf, die wie eine Reihe Bleistifte am Rande des Friedhofs standen. »Wir brauchen einen Augenblick Zeit, um darüber nachzudenken«, sagte sie schließlich. »Okay.«
»Allein, meine ich.«
»Ich setze mich so lange ins Auto.«
»Nein. Mehr Zeit. Wir müssen nach Hause fahren und darüber nachdenken. Darüber schlafen. Ich rufe dich an.«
»Wann?«
»Morgen früh. Vielleicht morgen Nachmittag. Ich muss morgen früh arbeiten.«
»So lange kann es nicht warten. Die Dinge... verändern sich. An einem Leichnam.«
»An einem...? O Gott.« Mandy schüttelte den Kopf. »O mein Gott.«
»Du rufst mich gleich morgen früh an.«
»Irgendwann morgen Vormittag.«
»Wenn ich bis zum Mittag nichts gehört habe, stehe ich vor eurer Haustür. Und wenn wir dann nicht sofort etwas unternehmen, muss ich...«
»Was musst du dann?«
»Morgen Mittag. Wir sehen uns morgen Mittag.«
32
Vier Uhr nachmittags und Ruth fühlt sich gut. Sie hat einen Drink in der Hand, und die Musik ist laut. Gern würde sie alle Fenster aufreißen, damit die Nachbarn wissen, dass sie da ist. Denn der kleine Trick, den sie heute ausprobiert haben - diese Schlampe zum Spionieren herzuschicken -, hat nicht funktioniert. Und zwar kein bisschen. Im Gegenteil, er hat alles nur noch klarer gemacht. Wenn sie bisher nicht sicher gewesen war, was die geplanten Veränderungen angeht, so ist sie es jetzt tausendprozentig. Es wird Zeit, von hier zu verschwinden. Zeit, dahin zurückkehren, wo sie hingehört. In die Sonne. Sie und die Katzen und vielleicht Stevie - irgendwohin, wo es besser ist als in diesem Dreckloch.
Sie geht mit ihrem Glas hinauf in ihr Schlafzimmer und stellt es auf den Nachttisch. Dabei verschüttet sie etwas; sie zieht das T-Shirt aus und wischt die Pfütze damit auf. Als sie sich wieder aufrichtet, sieht sie sich im Spiegel in der Tür des großen alten Kleiderschranks. Sie betrachtet sich lange und eingehend; dann knöpft sie ihre Shorts auf, streift sie hinunter und steigt heraus. Jetzt steht sie aufrecht in BH, Schlüpfer und hochhackigen Sandalen und taxiert ihr Spiegelbild.
Sie hat gute Beine. Immer schon gehabt. Kurz, ein bisschen muskulös, aber wohlgeformt, mit schönen Knien und Fesseln. Beine, die auf hohen Absätzen gut aussehen. Und gute Titten. Sie drückt die Brüste zusammen und beugt sich dem Spiegel entgegen. Macht ein Kussmündchen. Bei den Titten hat sie ein wenig nachgeholfen. Osteuropäische Nachhilfe. Aber es genügt, und mit einer bestimmten Sorte von Männern ist sie immer gut zurechtgekommen. Ein bisschen was versprechen, ein bisschen Spass haben. Das ist Geben und Nehmen. Sie kriegen, was sie wollen, und Ruth kriegt auch, was sie will. Und im Moment will sie eine Fahrkarte, mit der sie von hier verschwinden kann. Weg von den Schnüfflern und dem Regen und all den Leuten, die es mit Gift und schnellen Autos auf ihre Katzen abgesehen haben.
Zwischen dem Dorf und Trowbridge bauen sie ein neues Shoppingcenter. Ein solches Projekt bringt alle möglichen einsamen Männer in die Gegend - Architekten, Ingenieure, Investoren. Einer oder zwei von denen sind schon in den Pubs in Rode aufgetaucht. Einer hat ihr neulich abends einen Drink spendiert, und das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Nicht dass sie naiv wäre - ein Pierce Brosnan ist er nicht gerade, Himmel noch mal, aber man macht Kompromisse.
Sie nimmt einen Schluck Coke mit
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