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Haut

Haut

Titel: Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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Rum, stellt das Glas hin, wendet sich wieder dem Spiegel zu und greift in das überschüssige Fleisch, das über den Rand des Schlüpfers quillt. Quetscht es zusammen und betrachtet die Runzeln. Sonnenbraune Hautfalten, mit Dellen und Klumpen. Stevie. Das hat er gemacht. Nicht dass sie es ihm übel nimmt, aber den Bauch hat sie von Stevie. Sie wackelt damit, zieht ihn ein und betrachtet sich im Halbprofil. Dreht sich um und betrachtet sich von der anderen Seite. Sieht mit Bewunderung, wie ihre Figur sich verändert, wenn sie den Bauch so einzieht.
    Es ist nur ein winziger Eingriff. Eine winzige Narbe. Nach allem, was sie darüber gelesen hat, wird sie es als Hysterektomie ausgeben können. Ein Filmstar oder eine aus dem Jetset würde keinen zweiten Gedanken daran verschwenden. Sie würden es »Instandhaltung« nennen und sich keine Sorgen machen oder lange darüber nachdenken. Du kackst oder du gehst runter vom Klo.
    Ruth trinkt ihr Glas leer. Sie steigt die Treppe hinunter und steht in Unterwäsche und Highheels vor der Bar. Ein bisschen unsicher schaufelt sie Eis ins Glas und schenkt sich ein. Sie geht damit zum Computertisch und öffnet die Schubladen. Darin liegen haufenweise Fotos, und sie muss darin wühlen, um die Hefter mit Bankauszügen und Kreditkartenabrechnungen zu finden. Sie wirft sie auf den Tisch, setzt sich hin und fängt an, sie zu Stapeln zu ordnen.
    Nach einer Weile begreift sie, dass es ein Problem gibt. Sie sortiert die Auszüge nach Daten und fängt noch einmal an; diesmal macht sie Notizen und addiert Zahlen. Aber es hat keinen Zweck. Zwei Glas Coke mit Rum später hat sie immer noch nicht kapiert, wie es so schlimm werden konnte. Sie gießt sich das nächste ein, setzt sich wieder hin, stützt den Kopf auf einen Finger und versucht, es durchzurechnen.
    Sie hat einen Termin für übermorgen. Den hat die kleine Sue besorgt. Ein braves Mädchen, die kleine Sue - sie hält die Verbindung trotz der Scheidung. Aber ein verrücktes Gesicht: irgendwie eingedrückt, als wäre irgendwo in den Genen der Lindermilks etwas vom Mantarochen. Aber im Grunde ist sie ein gutes Kind. Sie hat mit der Klinik gesprochen und gefragt, ob Tante Ruth für ihre Bauchstraffung einen Personalrabatt bekommen könne. Anscheinend sind das fünfundzwanzig Prozent.
    Aber auch mit dem Rabatt wird es nicht reichen. Das stellt Ruth jetzt fest.
    Was soll sie tun? Noch eine Hypothek auf das Haus aufnehmen? Das dauert eine Ewigkeit, und so, wie es in diesem Land zurzeit läuft, kriegt niemand mehr eine Hypothek, nicht mal Anwälte und Ärzte. Sie blickt auf und sieht sich im Spiegel. Denkt an das Geld. Denkt an ihr Konto. Und plötzlich stimmt alles nicht mehr. Wie sie es auch betrachtet, alles kommt ihr mit einem Mal furchtbar vor. Sie sieht furchtbar aus, ihr Bauch sieht furchtbar aus. Ihr Gesicht sieht furchtbar aus. Und da ist dieser abgebrochene Schneidezahn. Der Himmel weiß, was es kosten wird, den zu reparieren. Wahrscheinlich braucht sie ein Implantat.
    »Fuck«, sagt sie zu der kleinen schwarzen Katze, die sich zu ihren Füßen zusammengerollt hat. »Fuck.«
    Sie geht wieder zur Bar. Öffnet die Rumflasche und gießt sich noch einmal zwei Fingerbreit ein. Kleckert ein bisschen auf die Bar, guckt die Pfütze an und überlegt, ob sie sie auflecken soll. Aber dann lässt sie es bleiben und legt eine Papierserviette darüber. Eine aus dem Hotel Puente Romano in Marbella. Einmal haben sie im Yachthafen von Capobina festgemacht und an der Bar etwas getrunken. Stevie hat an dem Abend ungefähr hundert Servietten geklaut. Sie benutzt sie immer noch. Ein guter Junge, Stevie.
    Sie nimmt ihr Handy und geht die gespeicherten Nummern durch. Als sie bei Stevies anlangt, hört sie auf und starrt sie lange an. Er hat ein gutes kleines Geschäft in Swindon. Verkauft Haushaltsgeräte. Aus dem Nichts hat er es aufgebaut. Er würde nicht wollen, dass es seiner Mum an irgendetwas fehlt. Ihr Daumen schwebt über der Anruftaste.
    »Nein«, sagt sie zu der Katze und legt das Telefon weg. »Ich nehme meinem Baby nicht die Butter vom Brot. Das tue ich nicht. So eine Mutter bin ich nicht.«
    Sie gießt Coke ins Glas und stellt zum Spaß einen Sektquirl hinein. Neulich stand etwas in einer Illustrierten: Eine Frau war zu ihrem Arzt gegangen und hatte behauptet, wegen ihrer flachen Brust habe sie Depressionen. Depressionen. Der Arzt schrieb eine Überweisung, und sie kriegte neue Brüste von der Krankenkasse. Musste keinen Penny bezahlen. Was ist das

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