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Haut

Haut

Titel: Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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ausschlafen.«
    »Mir reicht's schon, wenn Sie mir sagen, dass mein DI da sein wird, wenn ich morgen früh im Büro erscheine. Ich glaube, das ist nicht zu viel verlangt.«
    »Ich bin da«, entgegnete Caffery. »Schönen Abend noch. Hoffentlich hört's auf zu regnen.«
    Er legte auf und starrte eine Weile zu dem Metzgerladen hinunter. Er ging zu seinem Schreibtisch und suchte im Telefonverzeichnis die Nummer des Reviers in Wells heraus. Halb sieben. Er hatte noch Zeit. Wenn der DI, der den Fall Mahoney bearbeitete, noch im Dienst war, würde er sich von ihm sämtliche Zeugenaussagen im Zusammenhang mit der Vermisstenmeldung geben lassen, sie mit nach Hause nehmen und sie von Anfang bis Ende durchlesen.
    Der Walking Man hatte recht. Das war sein Verhängnis: Er konnte einfach nicht loslassen.
     

34
    Überall auf der Welt gibt es Wissenschaftler, die Haut züchten. Sie benutzen Hautpartien, die bei kosmetischen Operationen entfernt wurden, ernten die Zellen und geben sie mit Agarose, Glutamin, Hydrokortison und Insulin in eine Petrischale. Sie fügen Melanozyten zur Pigmentierung hinzu, trocknen die oberste Schicht und lassen sie unter UV-Licht altern. Das Endprodukt verwenden sie, um Kosmetika zu testen, oder sie verkaufen es über das Internet als Transplantat für Brandverletzungen und andere Wunden.
    Der Mann hat etwas von dieser synthetischen Haut bei einem amerikanischen Produzenten bestellt. Sie wurde in Spritzgussblöcken aus Styropor geliefert: fünf runde, weiche Scheiben, etwa so groß wie seine Handfläche, in einer Agar-Nährlösung, verpackt in Beuteln aus hochwertigem Polyäthylen. Als der Abend sich über die Felder senkt, die sein einsames Haus umgeben, begutachtet er die Haut. Er riecht daran, legt sie auf die Hand und hält sie ans Licht. Er kneift die Augen zu und drückt sie an sein Gesicht. Beißt die Zähne zusammen und wartet darauf, dass er sich besser fühlt.
    Er ist ertappt worden. Schon wieder.
    Schon wieder.
    »Ssssschh.« Er wiegt sich leise vor und zurück. Schmiegt die Haut an seinen Kieferknochen. Das Problem ist erledigt. Da ist er ganz sicher. Kein Grund zur Aufregung. »Ssssschh.«
    Er zieht die künstliche Haut vom Gesicht und starrt sie wütend an. Sie weist kein Haar, kein Pigment und keine der Langerhans-Zellen auf, die es einer echten Haut ermöglichen, sich gegen Infektionen zu wehren. Sie enthält weder Blut noch Schweißdrüsen. Sie ist nicht besser als die Haut eines Kaninchens oder eines Hundes. Angewidert schleudert er sie in den Mülleimer, und dort bleibt sie innen an der Wand kleben.
    Er behält sie im Auge, und als nichts darauf hindeutet, dass sie herunterrutschen wird, nimmt er eine lange Gerberahle und schiebt sie damit auf den Boden der Tonne. Nichts, aber auch nichts auf der Welt ist fair.
     

35
    Der Gastropub lag oben an einer steilen Straße in Clifton. Der Boden war mit Backsteinen gepflastert; es gab weiche Sofas und einen schwedischen Holzofen, und auf Regalen hinter Glas lagerten alte Weine. Caffery und Colin Mahoney bestellten J20-Fruchtsaft, einen Brotkorb und zwei Sandwiches. Sie setzten sich in einen der Erker mit großem Fenster, wo sie die Büroangestellten sehen konnten, die eilig auf dem Weg in die Mittagspause waren.
    »Wie geht's Daisy?«, fragte Caffery. »Wie verkraftet sie es?«
    »Was glauben Sie, wie sie es verkraftet? Es gibt einfach keine Worte dafür.«
    »Haben Sie ihr von dem Hund erzählt?«
    »Ich dachte mir, das erspare ich ihr.« Mahoney trug seinen grauen Anzug, ein weißes Hemd und eine altmodische Paisley-Krawatte. Er sah müde aus. »Seit Sie gestern da waren, hat sich kein Mensch gemeldet. Ich habe nichts gehört. Nichts. Nicht einmal eine Karte oder ein Blumenstrauß von der Familienbetreuerin.«
    »Diese Kolleginnen haben einfach Angst davor, sich zu sehr zu engagieren.«
    »Aber ich habe wenigstens damit gerechnet, dass jemand mich anruft und mir sagt, dass der Fall anders eingestuft worden ist. Sie wissen schon - als Mord.«
    »Was kann ich sagen?« Caffery tastete seine Tasche ab, fühlte den Tabaksbeutel und überlegte, ob er vor die Tür gehen solle, um zu rauchen. Er hatte am Morgen das Büro aufgesucht, sich im Computer die Ermittlungsdaten zeigen lassen und die entsprechenden Einsätze veranlasst, wie mit Powers besprochen. In seiner Mittagspause konnte er machen, was er wollte. »Ich arbeite daran. Wirklich. Ich habe mit der Rechtsmedizinerin gesprochen.«
    »Und?«
    »Sie hat Probleme damit, ihren Selbstmordbefund

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