Hautnah: Sinnliche Begegnungen (German Edition)
Hand und zog den völlig verstörten Mann aus der Sofaecke.
„Polizei? Was..?“ Er war nicht in der Lage klar zu denken und das verübelte ich ihm noch nicht einmal. Was ich ihm übel nahm, war seine unverantwortliche Art, beim Sex nur mit dem Schwanz zu denken.
Ich zog ihn hinter mir her, riss meine Jacke vom Haken und den Haustürschlüssel von der Komode. Gemeinsam stolperten wir die Treppe hinunter. Die kurze Scheu vor körperlichem Kontakt mit Arne war vorüber. Ich hatte mich lange und intensiv mit dem Thema Aids beschäftigt, um zu wissen, dass ich mich so nicht infizieren konnte. Das Bedürfnis, ihm meine Zuneigung zu schenken, war stärker als meine unbegründete Furcht. Kurz bevor wir das Haus verließen riss ich ihn in meine Arme. Widerstandslos ließ er es zu, lehnte sich an mich und barg seinen Kopf in meiner Halsbeuge. Feuchtigkeit rann in den Ausschnitt meines Shirts.
„Schsch ... das wird schon. Hab keine Angst. Ich lass dich das nicht allein durchstehen“, versicherte ich ihm. Meine Hände fuhren beruhigend seinen breiten Rücken hoch und runter.
Mich selbst beruhigten die streichelnden Bewegungen auch ein wenig. In meinem Hirn arbeitete es. Wann hatte ich das letzte mal mit Arne geschlafen? Klar, wir benutzen immer Gummis, aber wenn ich ihm einen blies, schluckte ich meist. So genau nahm ich den Schutz dann auch nicht. Mich sicher zu fühlen, nur, weil wir beim Verkehr ein Kondom benutzten, war wohl etwas naiv.
Der Klingelton und die Vibration meines Smartphones rissen mich aus den Überlegungen. Entschuldigend schob ich Arne ein Stück zur Seite.
Mein Arbeitskollege erwartete mich bereits und wirkte ziemlich ungehalten am anderen Ende der Leitung. Hin und her gerissen zwischen meinem Job und der Sorge um meinen Freund, war ich gezwungen schnell eine Entscheidung zu treffen. Ein Blick in Arnes Augen genügte, um zu wissen, wo meine Prioritäten lagen.
Ich erklärte, dass mich eine äußerst wichtige private Angelegenheit davon abhielt, zu erscheinen. Die Begeisterung darüber hielt sich natürlich in Grenzen. Da ich aber als sehr zuverlässig galt, wurde meine spontane Entscheidung geduldet.
Erleichtert ließ ich die Luft aus meinen Lungen und lächelte Arne zu.
„Danke, Thorsten!“, flüsterte er. Ich nickte nur, öffnete die Haustür und schob ihn vor mir her.
Der akute Parkplatzmangel hatte mich gezwungen mein Auto drei Blocks weiter abzustellen. Schweigend folgte Arne mir dicht auf den Fersen. Er wirkte unsicher wie ein junger Hund, stolperte zwischen meinen Füßen umher.
Als wir endlich mein Auto erreichten, schloss ich erst die Beifahrertür auf und half ihm beim Einsteigen. Arne stand komplett neben sich.
Ich überlegte welchen Arzt wir am besten aufsuchen konnten. Irgendein Allgemeinmediziner kam nicht infrage. Um fundiertes Wissen und gezielte Hilfe bei einer möglichen HIV Infizierung zu erhalten, brauchten wir einen Spezialisten. Über die Internet -Funktion meines Smartphones googelte ich eine Praxis. Nach ungefähr einer halben Stunde schweigsamer Fahrt hatten wir unser Ziel erreicht.
„Komm, wir schaffen das schon“, versuchte ich Arne aufzumuntern. Als wir wenig später die Praxis betraten, verließ mich der Mut. Das Wartezimmer war voll. Hauptsächlich Männer verschiedenen Alters saßen in dem eher kleinen Raum. Geduldig warteten sie darauf aufgerufen zu werden.
Wir meldeten uns an, unkompliziert wurden Arnes Personalien aufgenommen. Die junge Frau an der Anmeldung arbeitete zügig und war freundlich, verbreitete dabei ein gutes Gefühl.
Kein vorwurfsvoller Blick, als wir den Grund unseres Besuches nannten. Mit der Bitte uns auf eine längere Wartezeit einrichten zu müssen, entließ sie uns ins Wartezimmer.
Da saßen wir nun, fühlten uns irgendwie fehl am Platz. Die Vermutung alle um uns herum waren eventuell an der todbringenden Immunschwäche erkrankt, wirkte befremdlich. Unwillkürlich vermied ich den direkten Kontakt mit Möbelstücken. Eine Gänsehaut kroch meinen Rücken hinauf, wenn ich an diverse Krankheitserreger dachte.
Wenn ich meinen Blick über die wartenden Menschen gleiten lies, fühlte ich mich am falschen Ort. Wahrscheinlich waren diese Männer äußerst fahrlässig mit dem Ausleben ihrer Sexualität umgegangen und waren selber Schuld, sich angesteckt zu haben.
Kaum hatte ich diesen Gedanken zu Ende gedacht, ohrfeigte ich mich im Stillen selbst dafür. Arne passte eigentlich auch immer auf. Niemand hatte diese Krankheit verdient.
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