Hautnah: Sinnliche Begegnungen (German Edition)
Auf der Straße wären diese Männer einfach irgendwelche Männer gewesen. Wären sie mir entgegen gekommen, hätte ich keine Notiz von ihnen genommen. Jetzt saßen sie in der Aidssprechstunde und nur dieser Umstand ließ sie verdächtig und typisch aussehen. Ganz so, als stände ihnen das Wort Aids auf die Stirn tätowiert.
Meine Gedanken beschämten mich. Ich hob den Blick und griff nach Arnes Hand. Diesem schienen Ähnliches durch den Kopf gegangen zu sein. Betreten saßen wir die nächste Stunde Hand in Hand einfach da, harrten darauf, endlich aufgerufen zu werden, um der quälenden Situation im Wartezimmer zu entgehen.
Irgendwann wurde dann tatsächlich Arnes Name aufgerufen. Als ich mich mit ihm zusammen ins Behandlungszimmer begeben wollte, bat mich der Arzt, weiterhin zu warten. Das erste Gespräch fand nur zwischen Patient und Arzt statt. Unsicher setzte ich mich und mein Blick bohrte sich in die Tür, hinter der beide verschwunden waren.
Eine weitere halbe Stunde ging ins Land, bevor ich endlich dazugeholt wurde. Nervös nahm ich neben Arne, der etwas bleich um die Nase war, Platz.
„Sie sind der Lebensgefährte von Herrn Westhof?“, fragte mich der behandelnde Arzt. Lebensgefährte? Ich zog fragend die Augenbraue nach oben und suchte Arnes Blick. Leichte Röte überzog seine Wangen, als er meinen Blick erwiderte. Bevor der Arzt auf dumme Gedanken kommen konnte, bejahte ich schnell und bekräftigte mit einem Nicken.
Eine halbstündige Aufklärung über Arnes Behandlung und unser weiteres Sexualleben folgte.
Wie viel Gefahr bestand, dass sich mein Ex tatsächlich angesteckt haben konnte, wie hoch die Gefahr der Ansteckung bei welcher sexuellen Praktik bestand. Außerdem klärte er uns darüber auf, wie die Medikamente wirken würden und welche Nebenwirkungen Arne zu erwarten hatte. Dass es keine Sicherheit gäbe, danach geheilt zu sein und weiterhin Vorsicht geboten sei. Ob er sich überhaupt angesteckt hatte, konnte auch ein Schnelltest nicht bestimmen. Die Kosten, die auf Arne zukamen waren auch nicht unerheblich. Auch wenn das Medikament für ihn wichtig war, bezahlten die Krankenkassen es im allgemeinen nicht. Als wir nach diversen Bluttests mit einem Rezept die Praxis verließen, schwirrte uns der Kopf.
Keiner von uns sprach. Gefangen in unseren Gedanken fuhren wir zum nächsten Geldautomat und kratzen die Summe zusammen, die wir für das Notfallpräparat benötigten. Natürlich führte nicht jede Apotheke ein solches Medikament und so fuhren wir zurück zur Praxis, die uns für die nächsten vier Wochen damit versorgte.
In einer kleinen weißen Papiertüte befand sich Arnes Leben.
So jedenfalls empfanden wir es, als wir damit nach Hause fuhren. Zu mir nach Hause. Mittlerweile war es schon früher Abend. Arne hatte zwar nichts gesagt, aber in diesem Zustand wollte ich ihn lieber bei mir behalten. Sein dankbarer Blick bestätigte mir, dass ich mit meiner Einschätzung ganz richtig gelegen hatte.
„Ich hab nichts mit zum Schlafen!“
Ich versicherte ihm, noch einen Schlafanzug für ihn über zu haben. Nackt schlafen hielt ich für keine so gute Idee. Der Sinn für Sex war mir zwar sowieso komplett abhanden gekommen, aber Kleidung am Körper stellte eine sichere Barriere da.
Als Arne auf die Toilette verschwand, keimte sie wieder auf, die Angst vor dem tödlichen Virus. Ich fischte die Broschüre aus der Tasche und las, um mich zu beruhigen.
Es bestand keine Gefahr, wenn Arne und ich zusammen in einer Wohnung lebten und die alltäglichen Dinge gemeinsam benutzen.
Um zu Ruhe zu kommen, begab ich mich ins Schlafzimmer und bezog das Bett frisch, legte eine Shorts für Arne bereit und zog mich selbst aus. Mein Ex erschien mit der kleinen Tüte und einer Flasche Wasser im Schlafzimmer. Er setzte sich zu mir auf die Bettkante und mit zittrigen Fingern holte er die Schachtel mit den Tabletten hervor. Auffordernd nickte ich ihm zu und brav öffnete er die Dose die sich in der Schachtel befand und entnahm einer der Lebensspender.
Mit einem großen Schluck Wasser spülte er das kleine Ding schließlich hinunter.
Ich strich ihm eine Haarsträhne aus dem Gesicht und legte meine Lippen auf seine Stirn. Wie ein Verräter kam ich mir vor, waren seine Lippen gerade ein Tabu für mich.
Arne schien das nicht so zu sehen, sondern lächelte mich dankbar an. Er erhob sich, zog sich aus und kroch bekleidet mit der Shorts, die etwas zu knapp für ihn war, in mein Doppelbett. Wie geschafft ich war,
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