Hautnah
Sie zwang ihren Kopf dazu, den ganzen Müll loszuwerden, und bemühte sich, ihn stattdessen mit schönen Gedanken zu füllen.
Es war so heiß, dass man kaum Luft bekam. Das nächste Gewitter war im Anmarsch. Sie hatte es »im Urin«, wie ihr Vater immer zu sagen pflegte. Aber sie würde keinen Strom verschwenden, indem sie den Ventilator einschaltete. Am Nachmittag, nachdem sie und Sean im abgelegenen Teich seines Cousins nackt gebadet und noch einige andere Sachen gemacht hatten – bei der Erinnerung an diese anderen Sachen entfuhr ihr ein genüsslicher Seufzer –, war Sean mit ihr in einen Ort gefahren, dessen unaussprechlicher Name angeblich indianischen Ursprungs war. Dort hatten in der drückenden Hitze die Türen sämtlicher Geschäfte sperrangelweit offen gestanden, und trotzdem war es in den Geschäften kalt wie in einem Eisschrank gewesen. Sie und Sean hatten versucht auszurechnen, wie viel Energie alle Geschäfte Amerikas zusammengenommen verpulverten, indem sie ihre Kunden schockfrosteten, so dass diese selbst bei hohen Temperaturen warme Sachen anziehen mussten. Es war unvorstellbar. In ihrem Bett zu liegen und zu schwitzen war Bellas ganz persönliche Maßnahme gegen den Klimawandel. Mit einem Schmunzeln dachte sie daran, dass es, wenn sie noch einen zweiten Körper neben sich hätte, noch heißer und ihr Protest somit noch größer wäre.
Tja, die Aussicht war eher gering, solange ihr Bruder in der Nähe war.
Schon wieder war sie bei Olly gelandet und ließ es zu, dass er ihre Gedanken vergiftete. Sie ging die Ereignisse des Abends durch und stöhnte erneut.
Sie hob ihr Bettlaken an und ließ es dann herabsinken, um sich ein bisschen Luft zuzufächeln. Die war zwar nicht kühler, aber wenigstens nicht ganz so abgestanden.
Zu allem, was Sean am Tisch gesagt hatte, hatte Olly einen doppeldeutigen oder gemeinen Kommentar abgegeben, um ihn lächerlich zu machen. Sean war nie darauf eingegangen, aber sie hatte genau gemerkt, wie sehr es ihm zusetzte.
»Mich hätte fast der Schlag getroffen, als uns die beiden plötzlich im Pretty Fly Pie über den Weg gelaufen sind …«, hatte ihre Mutter gesagt.
»Ihr könnt froh sein, dass ihr nicht mir über den Weg gelaufen seid«, hatte Olly gemurmelt und dabei den Kopf so gedreht, dass nur Bella und Sean ihn hören konnten.
Und Marcus war so überschwänglich gewesen. Er hatte Sean Wein aufgenötigt, ihn nach seinen Plänen für die Zukunft gefragt und ihn ausgequetscht wie einen potentiellen Schwiegersohn. Es war die absolute Tortur gewesen. Aber bei Marcus war das nun mal so. Wenn er Gäste hatte, ging er immer voll in die Charme-Offensive. Und an diesem Abend hatte er besonders dick aufgetragen, weil seine Leseprobe so gut gelaufen war.
Aber ihre Mutter war auch irgendwie komisch gewesen. Sie hatte sich ein Glas Wein nach dem anderen eingegossen, sie mit diesem dämlichen Ausdruck in den Augen angelächelt, Sean und sie mit »ihr zwei« angesprochen und Witze übers Händchenhalten und Schnäbeln und so weiter gemacht. Es hatte Bella all ihre Selbstbeherrschung gekostet, nicht vor lauter Peinlichkeit unter den Tisch zu kriechen.
Dann noch die detaillierte Auflistung ihrer Unterwäscheteile, die in der gestohlenen Wäsche gewesen waren. Das war überhaupt die Krönung. Bella versuchte, ein bisschen Leben in ihr Kissen zu prügeln. Ihr Lieblingskleid und ein unersetzbarer BH waren weg, geklaut von irgendeinem Perversling, weil ihre Mutter mit Stephen Molloy losgezogen war und die Wäsche einfach vergessen hatte. Und jetzt taten ihre Eltern so, als wäre die ganze Geschichte ein Riesenwitz.
Sie kratzte die Schwellung, die die Mücke hinterlassen hatte. Wenigstens würden dabei ein paar neue Sachen zum Anziehen für sie rausspringen. Falls es hier am Ende der Welt überhaupt einen halbwegs anständigen Laden gab. In der Stadt mit dem unaussprechlichen Namen hatte sie nur einen einzigen Klamottenladen gesehen, und das war so ziemlich der finsterste Laden der Welt gewesen. Er hieß Fashion Bug und verkaufte nichts außer pastellfarbenem und limettengrünem Polyester.
Sie suchte nach etwas Positivem, an das sie denken konnte. Die anderen Sachen natürlich. Und Sean. Der wunderschöne Sean. Als sie sich auf der Veranda voneinander verabschiedet hatten, hatte er ihr gesagt, wie nett er ihre Eltern finde, wie cool sie seien und dass er sie hoffentlich noch öfter sehen werde.
Sie hatten sich geküsst – mit etwas weniger Leidenschaft als am Teich seines
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