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Hautnah

Hautnah

Titel: Hautnah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Crouch
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Treppe hinauf.
    »Bella? Olly?«
    Sie bekam keine Antwort. Wahrscheinlich waren die beiden unterwegs. Ein wenig hoffte sie – und sie war nicht gerade stolz darauf –, dass sie nicht rechtzeitig wieder auftauchen würden, so dass sie mit Jack allein zum Blaubeerenpflücken fahren konnte. Er bekam noch nicht so viel mit wie seine älteren Geschwister, und in seiner Gegenwart würde sie sich mehr erlauben können.
    In der Küche beseitigte sie die Hinterlassenschaften vom Frühstück, die bewiesen, dass die Zwillinge irgendwann im Laufe des Vormittags ihre Zimmer verlassen und etwas gegessen haben mussten. Dann stieg sie unter die Dusche und zog das neue Kleid an, das sie tags zuvor gekauft hatte.
    Ihr fiel ein, dass sie Jack noch das großzügig aufgetragene Make-up vom Gesicht wischen musste, also ging sie hinaus auf die Veranda. Dort angekommen, machte ihr Herz einen Satz direkt in ihre Kehle. Die Hollywoodschaukel war leer. Jack war nicht auf der Veranda, und im Garten war er auch nicht.
    »Jack!«, rief Lara und stürzte zurück ins Haus. Dort war er auch nicht. Sie rannte zur Hintertür, um den Garten hinter dem Haus und den Hügel abzusuchen. Sie konnte ihn nirgendwo entdecken.
    »Jack!«, schrie sie, als sie durch die Einfahrt ums Haus herum nach vorn lief. Kalte Angst stieg in ihr hoch. Sie hatte ihren Sohn verloren. Er war verschwunden. Jemand hatte ihn entführt. Sie rannte bis zum Gehweg und spähte die Main Street entlang, erst in die eine Richtung, dann in die andere. Abgesehen von einem großen Lastwagen, der langsam auf sie zugerumpelt kam, war die Straße wie immer menschenleer.
    Sie musste sich an einer Straßenlaterne festhalten und presste die Stirn gegen das heiße Metall, während sie versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen und das Gewirbel hinter ihren Augen zu stoppen.
    »Mummy!«
    Ihr Kopf schnellte in die Höhe. Auf der anderen Straßenseite kam Jack den Gehweg entlang in ihre Richtung gerannt. In einer Hand hielt er eine längliche Süßigkeit, in der anderen, so hatte es den Anschein, den verschollen geglaubten Cyrilbär.
    »Jack, stopp!«, brüllte sie, gerade als er den Rand der Straße erreicht hatte, die ihn von seiner Mutter trennte. Vor lauter Schreck gehorchte er, und das bewahrte ihn davor, vor einen Laster zu laufen, als dieser mit ohrenbetäubendem Lärm vorbeifuhr.
    Lara sah sich nach beiden Seiten um, bevor sie über die Straße und zu ihrem kleinen Sohn rannte, der mit weit aufgerissenen Augen wie festgenagelt auf dem Gehweg stand. Klebriger Zucker und Schminke mischten sich mit Tränen des Schocks, weil seine Mutter ihn angeschrien hatte.
    »Was ist denn passiert, Jacky? Wie bist du auf die andere Straßenseite gekommen? Wer hat dir was zum Naschen gegeben?« Sie zog ihm das Bonbon aus den Fingern und schleuderte es von sich, als könnte es jeden Augenblick in seiner Hand explodieren. »Und wo hast du Cyril gefunden?«
    Jack holte tief Luft und heulte auf, empört, dass man ihm sein Naschwerk weggenommen hatte.
    »Wer war das?«, sagte Lara. Doch sie wusste die Antwort bereits.
    »Die Frau«, antwortete Jack. »Die Frau hat mir Cyril wiedergegeben.«
    Als sie ihm schließlich die klebrige Schmiere abgewaschen hatte, hatten sich sowohl Lara als auch Jack wieder beruhigt. Sie schärfte ihm ein, dass er niemals und unter keinen Umständen mit einem Fremden mitgehen dürfe.
    »Aber das war doch keine Fremde. Das war die Frau.«
    »Mit der Frau darfst du erst recht nicht mitgehen«, mahnte Lara. »Die Frau war nicht nett zu uns, hast du das schon vergessen?«
    »Aber sie hat mir doch was Süßes geschenkt«, gab Jack zu bedenken.
    »Und du darfst niemals etwas Süßes von der Frau oder von einem Fremden annehmen, hast du verstanden?«
    Jacks roter Lockenkopf nickte. Unversehrt und sauber, sah er mehr denn je wie eine engelhafte Ausgabe seines Vaters aus. All die guten Eigenschaften vereint, ohne die unangenehmen.
    Als Lara den Motor des Wrangler in der Einfahrt hörte, warf sie einen Blick aus dem Schlafzimmerfenster und sah ihn, Stephen, am Steuer sitzen.
    »Also, wir sagen Stephen kein Wort von der bösen Frau«, ermahnte sie Jack und tat so, als würde sie einen Reißverschluss über ihrem Mund zuziehen.
    Jack nickte und ahmte die Geste nach.
    Sie nahm ihn auf den Arm, schnappte sich ihre Tasche und ging nach draußen, um Stephen zu begrüßen.
    »Ohne Zwillinge?«, sagte er und stieg aus, um ihr behilflich zu sein.
    »Die sind unterwegs.«
    »Na gut. Schau dir mal die

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