Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hautnah

Hautnah

Titel: Hautnah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Crouch
Vom Netzwerk:
Kontrast zum glitzernden Gras wirkten die Bäume schwärzer denn je, fand Lara.
    »Entgegen Bettys Auffassung bin ich sehr wohl in der Lage, uns zu beschützen.« Stephen legte einen Arm um sie, drehte sie herum und deutete auf die Bäume. »Ich kenne diese Wälder wie meine Westentasche. So wie ich dich kenne.« Lara stellte sich auf die Zehenspitzen und zog seinen Mund zu ihrem herab. Als sie sich küssten, spürte sie, wie seine Hand unter ihr rotes Trägerhemd und zu ihrer Brust wanderte.
    »Komm«, sagte er, und seine Stimme war heiser. »Am besten, wir machen uns gleich auf den Weg. Sonst ist es wirklich bald dunkel.«
    »Außerdem habe ich gesagt, dass ich um acht zurück bin.« Es war bereits halb sieben, und die Fahrt nach Trout Island dauerte eine gute halbe Stunde.
    »Ich sorge schon dafür, dass du rechtzeitig nach Hause kommst«, versprach er.
    »Ich will hier gar nicht weg.«
    »Ich weiß.«
    Genau wie tags zuvor auf dem Weg zum Blaubeerpflücken kletterten sie durch den Wald den Hang hinauf, nur dass Jack diesmal nicht bei ihnen war und sie Arm in Arm gehen konnten. Das Unterholz und die Blätter über ihnen waren nass vom Regen. Sie wuschen ihnen die Beine und ließen Schauer auf ihre Köpfe niederregnen, wann immer sie stehen blieben, um sich zu küssen.
    »Was, wenn sie uns sieht?«, fragte Lara. »Wenn sie uns beobachtet?«
    »Soll sie ruhig. Weißt du was? Zum ersten Mal, seit sie angefangen hat, mich zu belästigen, habe ich keine Angst mehr vor ihr. Ich fühle mich …«, er atmete die reingewaschene Luft ein, »… ich fühle mich unbesiegbar.« Er drehte sich zu Lara um, nahm sie auf den Arm und wirbelte sie lachend im Kreis herum. »Du hast einen Supermann aus mir gemacht!«
    Lara glaubte ihm. Wie konnte man sich an seiner Seite nicht sicher fühlen?
    Sie marschierten weiter, auf die Kuppe des Hügels zu.
    »Du kannst dir gar nicht vorstellen«, sagte er und half ihr über einen dicken Ast, den der Sturm abgerissen und auf den Weg geworfen hatte, »wie unruhig ich war, seit wir uns gestern verabschiedet haben. Ich konnte mich auf nichts konzentrieren.«
    »Ich glaube, ich habe eine ungefähre Ahnung davon«, gab sie zurück.
    »Ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, dass ich mich auf deinen Besuch vorbereiten muss. Ein Gemach herrichten, ein Festmahl zubereiten. Aber ich weiß auch, dass wir beide, du und ich, gar kein großes Drumherum brauchen.«
    Er blieb stehen, um eine kleine Walderdbeere zu pflücken, die er zu seinen Füßen entdeckt hatte. Er drehte sich zu Lara und legte sie ihr auf die Zunge.
    »Also bin ich fast die ganze Zeit draußen gewesen. Ich war zweimal lange joggen. Ich habe Holz gehackt, Unkraut gejätet und meine Tomaten geerntet. Ich habe ein paar Büsche gerodet und eine Trockenmauer repariert. Ich habe alles Mögliche gemacht, um nicht zu explodieren. Und dann bin ich losgezogen, um zu sehen, ob ich vielleicht dem Bär noch einmal begegne. Damit ich ein, zwei Fotos von ihm schießen kann.«
    »Damit du ihn noch mal bezwingen kannst.« Lara drückte seine Hand.
    »Ich muss doch sehr bitten. Ich wollte nur ein paar Bilder machen«, erwiderte Stephen. »Aber er hat sich nicht blicken lassen. Also dachte ich mir, wenn ich schon mal da oben bin, kann ich gleich eine Runde in meinem Teich schwimmen gehen – ich zeige ihn dir bald. Und auf dem Weg dorthin habe ich bei dem verfallenen Haus vorbeigeschaut – das, von dem ich dir erzählt habe.«
    Sie hatten die Blaubeerlichtung erreicht und standen eine Zeitlang schweigend da. Sie sahen weder den Bären noch sonst etwas Beunruhigendes. Nichts raschelte im Gehölz, keine Zweige knackten am Waldboden. Es schien, als wären sie ganz allein.
    Sie gingen weiter und tauchten auf der anderen Seite der Lichtung erneut in den Wald ein. Hier führte der Pfad im Zickzack einen steilen Abhang hinunter.
    »Noch eine halbe Meile, dann kommen wir zum schönsten Schwimmteich im ganzen Staate New York«, verkündete Stephen, während ihre Schuhe durch jahrzehntealte Laubschichten raschelten. »Er wird von einer Quelle gespeist, und es ist das frischeste, klarste Wasser, in dem du je geschwommen bist.«
    Er bog einen niedrig hängenden, dicht belaubten Zweig zurück. »Ich habe das hier entdeckt.« Er deutete auf ein eingeschossiges Steinhaus, das auf einer terrassenförmigen Erdaufschüttung stand. Wo früher Fenster und Türen gewesen waren, gähnten jetzt offene Löcher, aber das Dach war noch intakt. Eine ums Haus herum verlaufende

Weitere Kostenlose Bücher