Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hautnah

Hautnah

Titel: Hautnah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Crouch
Vom Netzwerk:
Zifferntasten Bella vergeblich herumdrückte, sah sie nichts – keinen Klingelknopf, keine Kamera –, das jemandem im Haus hätte verraten können, dass sie da waren.
    Die Laubheuschrecken in den Bäumen über ihnen machten ihren üblichen Lärm, der sich in Bellas Schädel bohrte.
    »Also, ich kapier nicht, warum wir überhaupt den ganzen Weg hierhergefahren sind«, sagte sie schließlich.
    »Meinst du nicht, du hast ein Recht, darüber Bescheid zu wissen?«, fragte Sean.
    Sie sah ihn an. Seine Augen glühten.
    »Wenn ich die Möglichkeit hätte, meinen Dad davon abzuhalten, eine andere zu vögeln, bevor meine Mom was davon erfährt …«
    »Aber das geht mich doch gar nichts an.«
    »Und ob dich das was angeht.«
    »Findest du?« Es wunderte sie, dass er sich so ereiferte. Sie lehnte sich an ihn, und er schlang den Arm um sie. »Und was machen wir jetzt? Wie sollen wir da reinkommen? Das ist wie Fort Knox.«
    »Frag den Einheimischen.« Sean hob einen Finger. »Wir können von hinten aufs Grundstück gelangen. Querfeldein. Das Land auf der anderen Seite gehört meinem Onkel. Wir können noch ein Stück mit dem Auto fahren, den Rest der Strecke müssen wir dann zu Fuß gehen.«
    »Aber wir haben Jack dabei.« Bella drehte sich zu ihrem kleinen Bruder um, der sich, soweit sie durchs Wagenfenster erkennen konnte, mit Hund unterhielt und hin und wieder nieste.
    »Wenn er müde wird, können wir ihn abwechselnd tragen.«
    Sie stiegen wieder ins Auto, und Sean fuhr den Weg entlang bis zu der Stelle, an der der Zaun um Stephens Grundstück sich vom Weg trennte und im Wald verschwand. Nach weiteren fünf Meilen endete ihre Fahrt vor einem mit Unkraut überwucherten Maisfeld auf einem Plateau hoch oberhalb der dunklen, dichtbewaldeten Hügel. Dämmerungsaktive Insekten schwirrten summend und beißend durch die Luft. Bella schlug sich auf einige juckende Stellen an den Armen – schon wieder diese Gnitzen.
    »Inzwischen kommt hier keiner mehr hoch«, erklärte Sean und stellte den Motor ab. »Aber als Kind hab ich oft den ganzen Sommer hier verbracht. Früher, als mein Onkel noch gesund genug war, um das Land zu bewirtschaften. Ihr Haus stand da drüben.« Er zeigte in die Richtung einer roten Scheune, die sich im Fünfundvierzig-Grad-Winkel zur Erde neigte. »Aber es war zu weit oben. Das Haus wurde vom Blitz getroffen und ist quasi in die Luft geflogen.«
    Was für eine sonderbare Welt, dachte Bella, als sie auf dem heißen, windgepeitschten Plateau stand, wo die rote Erde die Farbe der untergehenden Sonne in sich aufsog und vor dem Grün der hoch aufgeschossenen Maispflanzen fast blendete. Hier konnten Häuser in die Luft fliegen, Brüder sich in Psychopathen verwandeln, Mütter mit Filmstars durchbrennen, und sie konnte die Liebe ihres Lebens finden.
    »Und wo lang jetzt?«, fragte sie.
    »Nach Süden. Durch den Wald. Da ist es so wild, dass nicht mal Molloy einen Zaun aufstellen könnte. Den Berg runter, auf der anderen Seite wieder rauf und dann wieder runter.«
    Das hörte sich für Bella ziemlich anstrengend an, erst recht mit einem kleinen Jungen und Hund im Schlepptau. Doch sie beruhigte sich mit ihrer neugewonnenen Erkenntnis, dass nichts unmöglich war.
    »Er sagt, wir müssen uns beeilen«, japste Jack. Bella drehte sich um. Ihr kleiner Bruder hatte eine Hand auf Hunds Rücken gelegt. Sein Gesicht war von der allergischen Reaktion aufgedunsen.
    »Jack, ist alles in Ordnung mit dir?«, fragte Bella. Sie war immer davon ausgegangen, dass ihre Mutter bloß deshalb so einen Zirkus um Jacks Allergien und Asthma veranstaltete, weil sie ihn nicht loslassen konnte. Aber als Bella ihren Bruder jetzt sah, ging ihr auf, dass er wohl tatsächlich seinen Inhalator und die Tabletten brauchte – und dass die vermutlich unerreichbar weit weg waren, nämlich in Trout Island bei Gina.
    »Mir geht’s gut«, antwortete er und ließ Hund los, damit der vorneweg laufen konnte. Das Tier verschwand über einen Pfad, der quer durchs Maisfeld und hinunter ins indigoblaue Herz des Waldes führte. Bella hoffte, dass die frische Luft Jack helfen würde.
    »Kommt schon, ihr Schnecken!« Jack hopste Hund hinterher.
    Sean warf die Autotüren zu, nahm Bella an der Hand und zog sie hinter sich her ins Feld.
    Bevor die Bäume sie verschluckten, schaute Bella noch einmal zurück. Seans Wagen war auf der Kuppe des Plateaus weithin sichtbar. Wenn die Jungs sie finden wollten, hatten sie einen guten Ausgangspunkt.

45
    K aum waren sie im

Weitere Kostenlose Bücher