Hautnah
mir leid, Ma’am, es ist nur –«
»Ja?«
»Ist das …« Der UPS -Bote wurde rot – zusammen mit seiner schweißfleckigen braunen Uniform eine unvorteilhafte Kombination. »Ist das das Larssen-Haus?« Er rümpfte die Nase, als er den Namen aussprach.
»Larssen? Keine Ahnung. Wir sind gerade erst eingezogen.«
»Oh. Okay. Ich und meine große Klappe. Ich muss dann auch mal wieder. Schönen Tag noch.«
Er händigte ihr das Paket aus, drehte sich um und lief die Stufen hinunter über den Rasen. Genau wie der Wachmann vor dem Supermarkt hatte auch er gewisse Ähnlichkeiten mit Olly. Vielleicht sahen alle Amerikaner so aus – groß und schlaksig, mit leicht wiegendem Gang. Bevor er in seinen Wagen stieg, drehte er sich noch einmal um, warf einen letzten Blick auf das Haus und verzog dabei das Gesicht.
Lara sah dem Wagen nach, wie er in der Ferne verschwand. Merkwürdig, dachte sie. Larssen-Haus?
Das Paket war an James adressiert, aber da sie sich relativ sicher war, dass es sich um den »Rauter« handelte, nahm sie es mit nach drinnen und riss es auf. Verärgert stellte sie fest, dass die Verpackung schon einmal geöffnet worden war; man hatte ihnen ein Gerät geschickt, das jemand anderer bereits benutzt und dann zurückgegeben hatte oder Ähnliches. Immerhin war sie nach halbstündigem Getüftel endlich online und nutzte die Zeit, um ihre E-Mails und Facebook-Nachrichten zu lesen und sich mit Kollegen und Freunden daheim auszutauschen – in einer Welt, die nach nur zwei Tagen schon ein ganzes Leben weit weg schien.
8
D ann habt ihr euch also schon ein bisschen umgesehen?«, fragte Marcus, während er sich einen Nachschlag Pasta nahm. Sie aßen früh zu Mittag, denn als sich alle in der Küche eingefunden hatten, um sich wie Tiere, die in Mülltonnen nach Essbarem stöbern, über die Reese’s Puffs herzumachen, hatte Lara sich veranlasst gesehen, eine anständige Mahlzeit auf den Tisch zu bringen.
»Hier ist so was von tote Hose«, verkündete Olly.
»Hier ist garantiert jede Menge los. Ihr müsst bloß herausfinden, wo«, widersprach Marcus kauend. Lara wünschte sich, er würde nicht immer so geräuschvoll essen, aber er hielt es mit dem Grundsatz, Tischmanieren seien nur etwas für die Bourgeoisie.
»Glaubst du?« Olly nahm seinen Teller in die Hand und leckte ihn ab. Noch etwas, worüber Lara sich längst nicht mehr aufregte.
»Und wenn ihr erst mal die Schauspieler und die anderen Leute vom Theater kennenlernt, na, dann wird es bestimmt lustig.«
»Heute Abend ist ja schon mal James’ und Bettys Party«, warf Lara ein.
»Was für eine Party?« Alle sahen sie an.
Sie schlug sich mit der Hand an die Stirn. »Ich habe total vergessen, es euch zu sagen. Heute um halb acht. Nach der Vorstellung. Um alle kennenzulernen, hat James gesagt.«
»Müssen wir da hin?«, fragte Olly.
»Natürlich müssen wir da hin«, gab Marcus zurück. »Du hast dich doch beschwert, dass hier nichts los ist. Und jetzt willst du nicht auf eine Party gehen?«
»Komm runter.«
»Ich kann es nicht ausstehen, wenn du das sagst.« Marcus funkelte seinen schmollenden Sohn wütend an.
»Deswegen sagt er’s ja, Vater«, klärte Bella ihn auf.
»Wo findet die Party statt?«, wollte Marcus von Lara wissen.
»Irgendwo ganz weit draußen. Ich habe die Adresse. Jetzt, wo das Internet funktioniert, können wir ja bei Google Maps nachschauen«, schlug Lara vor.
»Wir sind online?«, fragte Marcus. »Gut gemacht, du kleine Computermaus, du.«
»James meinte noch, dass er irgendeine Überraschung für uns hätte«, fügte Lara hinzu.
»Oh, eine Überraschung von James. Ich kann’s kaum erwarten.« Olly fuchtelte mit den Händen in der Luft herum.
»Sieh dich vor, junger Mann«, warnte Marcus.
»Komm runter.«
Marcus’ Erwiderung ging in einem stetig anschwellenden Sirenengeheul unter. Es kam irgendwo ganz aus der Nähe und wurde immer lauter, bis Lara Jack die empfindlichen Ohren zuhalten musste, weil sie Angst hatte, sie könnten Schaden nehmen. Nach einer Weile ebbte der Lärm genauso langsam wieder ab, wie er angefangen hatte. Zurück blieb eine drückende Stille.
»Was war denn das?«, fragte Lara. Jack sah so verängstigt aus, wie sie sich fühlte.
»Gestern war das auch schon«, sagte Bella. »Als du in der Stadt warst.«
»Ist doch cool.« Olly zuckte mit den Schultern. »Irgendeine Übung für Terroranschläge. Hab was drüber gelesen.«
»Ach ja?« Lara hob eine Braue.
»In Wirklichkeit«, sagte
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