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Hautnah

Hautnah

Titel: Hautnah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Crouch
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sich leben«, verkündete Marcus. »Ich glaube, wir haben ausnahmsweise mal genau die richtige Entscheidung getroffen.«
    Sie suchte in seinem Gesicht nach der tieferen Bedeutung dieser Worte. Waren sie eine Art Entschuldigung für das Baby? Vielleicht. Das musste sie jedenfalls glauben. Er legte den Arm um sie und beugte sich zu ihr, um sie zu küssen.
    »Ich l-l-l-liebe dich, L-l-l-lara.« So sagte er es immer.
    »Ich dich auch«, sagte sie. Ihre übliche Antwort.
    »Bumsen kommt wohl nicht in Frage?«
    Lara machte sich von ihm los. »Das geht noch nicht.«
    »Ja. Ja. Natürlich nicht. Tut mir leid.«
    Um die Lampe auf der Veranda hatten sich ganze Heerscharen stechender Insekten versammelt. Marcus klatschte einen Moskito an seinem Hals tot. »Besser, wir gehen rein, sonst werden wir noch bei lebendigem Leib aufgefressen. Irgendeinen Wermutstropfen gibt es immer.«
    »Ich bin todmüde.« Lara hob Flasche und Gläser auf und ging zurück ins Haus. Marcus schaltete das Licht aus und folgte ihr.
    »Was haben die Reifen denn gekostet?«, wollte er wissen, als sie nach oben gingen.
    Sie drehte sich zu ihm um und sagte: »Hundert Dollar.«
    »Du lieber Himmel.«

7
    L ara stand in Joggingsachen auf der Veranda und trank ein großes Glas Wasser, um die Flüssigkeit zu ersetzen, die sie im Laufe einer schwülen, schlaflosen Nacht ausgeschwitzt hatte. Das Licht der Morgendämmerung kroch mit Spinnenfingern über den Himmel, und eine grüne Frische milderte den Gummigestank von Trout Island.
    Sie stellte ihr Glas ab, steckte sich die Ohrstöpsel ein, wählte Morrissey auf ihrem iPod aus und marschierte in zügigem Aufwärmtempo los, die Main Street entlang. Sobald sie in die Sixth Street eingebogen war, fiel sie in einen leichten Trab.
    Seit sie damit angefangen hatte, um die Pfunde loszuwerden, die sie während der Schwangerschaft mit Jack angesetzt hatte, war das Laufen aus Laras Leben nicht mehr wegzudenken. Ihre Lieblingsroute zu Hause in England führte am Wasser entlang – ebener Beton auf der gesamten Strecke, so dass keine Gefahr für ihre Fußknöchel bestand, und das ständig wechselnde Schauspiel des Ärmelkanals.
    Schweiß begann, auf ihrer Haut zu jucken. Sie überquerte eine Brücke, die über einen rasch dahinfließenden Fluss führte, und lief weiter stadtauswärts. Sie freute sich über die hohen Bäume am Straßenrand und die sauerstoffreichere Luft, die sich unter ihnen angesammelt zu haben schien. Mit kraftvollen Schritten nahm sie eine leichte Steigung und bog schließlich auf einen unbefestigten, parallel zum Fluss verlaufenden Pfad ein. Nebel kroch zwischen den Wildblumen hervor, die eine Art Hecke bildeten, hinter der der eigentliche Wald begann. Ihre Schritte hallten in der leeren Landschaft wider, und ihr Atem pendelte sich auf einen gleichmäßigen Rhythmus ein. Als sie um eine Kurve bog, sah sie vor sich einen großen weißen Bungalow, umgeben von einer riesigen, fast bis zur Grasnarbe abgemähten Rasenfläche. Zwei Geländewagen parkten in der Einfahrt, und genau wie überall sonst gab es auch hier kein Zeichen von Leben.
    »Igitt«, sagte Lara. Es schien ihr genau die Art von Haus zu sein, in dem man erstickte. Sie lief weiter, blieb dann aber stehen, als hinter dem Bungalow ein furchterregendes Gebell zu hören war, und schaltete ihren iPod aus. Ein großer schwarzer Hund kam über den Rasen genau auf sie zugeschossen. Ganz langsam und ohne das Tier aus den Augen zu lassen, bückte sich Lara und hob zwei Steine auf. Sie hatte gelesen, dass man es so machen sollte, wenn man von einem Hund angegriffen wurde. Man warf den ersten Stein wie einen Ball und rief »Hol ihn!«, in der Hoffnung, das Tier würde sich auf ein Spiel einlassen. Falls das nicht funktionierte, hatte man immer noch den zweiten Stein als Waffe.
    Lara schleuderte den ersten Stein. Der Hund, der, so konnte sie inzwischen erkennen, mindestens zur Hälfte Rottweiler war, blutunterlaufene Augen und schaumtriefende Lefzen hatte, ließ sich davon nicht beeindrucken. Sie packte ihren zweiten Stein fester und bereitete sich innerlich darauf vor, das Tier, falls nötig, zu töten. Es kam immer näher, und seine Beine bewegten sich so rasend schnell, dass sie gar nicht mehr auseinanderzuhalten waren. Doch plötzlich, sie hatte den Stein schon über den Kopf gehoben, prallte das Tier gegen eine unsichtbare Wand und sprang mit einem lauten Aufjaulen zurück. Lara sah eine Reihe dünner Metallstangen, in etwa so groß wie Zauberstäbe, die

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