Hautnah
sie den Wagen abgestellt hatten. Hier dämpften Büsche den Partylärm und ließen sie in die von Insekten schnarrende Nacht eintauchen.
»Seht mal!« Bella zeigte nach oben. Der Himmel war von einem samtigen Marineblau, und die Sterne funkelten wie Pailletten vor dem dunklen Hintergrund.
»Seht mal!«, sagte auch Olly, und die ganze Familie hielt den Atem an, als sich ein kleiner Lichtstreif quer über den Himmel bewegte.
»Ein Meteorit«, erklärte Lara.
»Ich würde sagen, das ist eine Sternschnuppe«, widersprach Olly.
»Ist das nicht dasselbe?«
»O nein, das sind zwei völlig verschiedene Dinge. Würde ich sagen.«
»Du laberst nur Mist«, erwiderte Bella. »Das ist genau das Gleiche.«
»Ist es nicht.«
»Leck mich doch«, seufzte Bella.
»Könnte jemand mal den Wagen aufschließen?«, bat Lara. Sie trug den schlafenden Jack, und allmählich taten ihr die Arme weh.
»Eine Sekunde«, sagte Marcus. »Haltet nur mal alle kurz inne und atmet tief ein. Haben eure Lungen jemals eine sauberere Luft geatmet? Seid ihr nicht froh, dass ich mit euch hierhergekommen bin?« Er legte Lara den Arm um die Schultern. »Ist das nicht wie im Traum?«
Doch Lara hatte das Gefühl, als wäre sie nur halb anwesend.
»Dann lasst uns fahren.« Marcus ließ den Wagenschlüssel um seinen Finger kreisen. »Zurück in unseren Palast aus Staub.«
Er startete den Motor und ließ sämtliche Fensterscheiben herunter. »Um diese Zeit sind vielleicht einige interessante Tiere unterwegs«, vermutete er. Dann, nach mehreren hundert Metern langsamer Fahrt, schaltete er die Scheinwerfer aus.
»Marcus, mach sie wieder an!«, forderte Lara ihn auf.
»Warum? Ist ja nicht so, als ob hier viel Verkehr wäre«, entgegnete er lachend. »Das wollte ich immer schon mal machen.«
»Wir landen noch im Graben«, sagte Lara.
»Hör auf damit, Dad«, bat Bella.
»Weiter so, Daddy-o!« Olly löste seinen Sicherheitsgurt und reckte den Kopf aus dem geöffneten Fenster.
»Olly, setz dich wieder hin. Das ist wirklich gefährlich, Marcus.«
»Sei doch nicht so langweilig, Lara«, sagte er. »Genieß das Leben.« Dann steckte auch er den Kopf zum Fenster hinaus und ließ einen lauten Jubelschrei los.
Lara krallte sich in die Ränder ihres Sitzes. Die Dunkelheit schlug über ihnen zusammen wie Wasser. Sie hätten unbemerkt über den Rand einer Klippe fahren können, so finster war es. Der teure Motor machte fast kein Geräusch, so dass man nichts hörte als die über Kies und Steine knirschenden Reifen, und im Widerschein vom Armaturenbrett sah Marcus’ verzücktes Gesicht aus wie eine unheimliche Fratze.
Dann bewegte sich plötzlich etwas vor ihnen auf der Straße, und alle starrten nach vorn. In Mannshöhe leuchteten ihnen zwei knopfgroße Punkte wie Sterne entgegen.
»Scheiße, was ist das?«, schrie Olly.
Erschrocken machte Marcus die Scheinwerfer wieder an, und sie sahen die Hinterteile eines Rehs und seines Kitzes, die im Unterholz verschwanden.
»Das war bloß ein Reh, Olly«, gab Marcus mit übertriebener Ruhe zu, obwohl nicht zu übersehen war, dass auch er einen gehörigen Schrecken bekommen hatte.
»Seht mal – damit hätten wir zusammenstoßen können«, sagte Lara und deutete auf ein Auto, das knapp zehn Meter vor ihnen am Straßenrand parkte. Wären sie im Dunkeln weitergefahren, hätten sie es gerammt.
»Scheiße«, zischte Marcus.
»Warum hörst du nie auf das, was ich sage?«, fragte Lara.
»Weil ich ein böser, böser Bube bin, Lara. Darum.«
Das Auto schien zu keinem Haus zu gehören – auf diesem Stück des Wegs wohnte niemand, und von James’ und Bettys Farmhaus war es zu weit entfernt, als dass es von einem der Partygäste hätte stammen können. Als sie langsam daran vorbeirollten, konnten sie sehen, dass die Scheibe auf der Fahrerseite heruntergelassen war.
»Mein Gott, da sitzt ja jemand drin«, stellte Lara fest. Sie konnte die Gesichtszüge der Person nicht erkennen, aber allem Anschein nach handelte es sich um eine Frau. Sie schien sie durch ihre dunklen Brillengläser zu beobachten. »Entschuldigung«, rief Lara, die sich ein Stück aus dem Fenster gebeugt hatte. »Mein Mann ist ein Idiot.«
Die Frau reagierte nicht.
»Sie hat dich nicht gehört, Mum«, sagte Bella.
»Grusel.« Olly schüttelte sich.
»Sehen wir zu, dass wir hier wegkommen.« Marcus trat aufs Gas und fuhr, so schnell es der steinige Weg erlaubte, in Richtung Hauptstraße.
»Was war denn das für eine Nummer?«, fragte
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