Hautnah
Vater.
»Aha, tun wir das?«, sagte Olly. Dennoch konnte sie den Anflug eines triumphierenden Lächelns in seinem Gesicht erkennen. Er bewies Mut, während sein Vater den Schwanz einkniff.
»Ich will Cyrilbär«, bettelte Jack und zeigte nach draußen zum Auto.
»Mummy bringt ihn dir nachher hoch – nicht wahr, Mummy?«, sagte Marcus, der es gar nicht erwarten konnte, endlich nach oben zu verschwinden.
»Versprochen.« Lara küsste Jack aufs Haar. »Nacht, mein Schatz.«
Die drei übriggebliebenen Familienmitglieder ließen sich auf alle viere nieder und kreisten das kleine Tier ein, um es genauer in Augenschein zu nehmen. Kurz darauf brach Lara in Gelächter aus.
»Was ist denn, Mum? Was?«, fragte Bella.
»Falls meine Zeichentrickfilm-Erfahrung mich nicht täuscht, ist unsere ›Ratte‹ ein Streifenhörnchen. Seht nur!«
Der kleine Nager sah sie der Reihe nach mit seinen blanken Äuglein an. Er knabberte an den letzten Resten seines Frühstücksflocken-Festmahls, wobei seine prallgefüllten Backen sich hin- und herbewegten, als hätte er winzige Ballons unter dem braunen Fell. Die Haare der drei Streifen auf seinem Rücken stellten sich auf, und er reckte sich in die Höhe, um sich so groß wie möglich zu machen. Dann plusterte er in etwas dürftiger Nachahmung eines Eichhörnchens den langen, dünnen, gestreiften Schwanz auf.
»Na, Alvin?«, sagte Olly.
»Reh, Stinktier, Streifenhörnchen. Als wären wir am Set von Bambi «, sagte Lara. »Seid vorsichtig, ich weiß nicht, ob die beißen.«
»So gefährlich kann er ja wohl nicht sein. Der ist winzig«, erklärte Bella.
»Denk an Dad, den Bach und die Ratte.« Olly lachte hämisch. »Wir könnten uns einen Knacks fürs Leben holen.«
»Also gut, wir locken ihn mit Reese’s Puffs unterm Tisch hervor«, beschloss Lara. »Ihr zwei bleibt am Boden und passt auf, dass er nicht unter dem Herd verschwindet.« Sie erhob sich und legte eine Spur aus Frühstücksflocken bis zur Hintertür. Dort hakte sie die Fliegengittertür aus, damit das Streifenhörnchen freie Bahn hatte. Das jedoch blieb sitzen, wo es war, und ließ sich auch durch Bellas und Ollys Anwesenheit nicht dazu bewegen, seinen Platz zu verlassen.
»Ich glaube, es ist satt«, verkündete Bella, setzte sich in die Hocke und sah zu ihrer Mutter auf.
»Pass auf! Schwachkopf!«, rief Olly, als das kleine Tier die Gelegenheit zur Flucht nutzte. Es kam unter dem Tisch hervorgeflitzt und nahm Kurs auf den Herd. Olly hechtete quer über den Küchenboden wie ein Torwart, um ihm zuvorzukommen. Er warf sich quer vor die Lücke zwischen Herdunterseite und Fußboden und versperrte dem Tier so den Weg.
»Würg.« Er schüttelte sich, als das Streifenhörnchen in ihn hineinrannte, bevor es die Richtung wechselte und Lara und Bella es quer über das ausgetretene Linoleum der Küche in Richtung Hintertür scheuchten. Dabei rutschte es auf den runden Reese’s Puffs aus und schoss sie überall in der Küche herum wie Kugeln aus einem geplatzten Kugellager.
»Husch!«, rief Lara und knallte die Tür hinter ihm zu.
Als sie sich danach wieder umdrehte, standen ihre zwei Ältesten vor ihr und sahen sie mit vor Triumph blitzenden Augen an.
»Mann, der Fußboden sieht echt übel aus.« Olly wischte sich Krümel von den Ärmeln.
Er hatte recht. Es sah aus, als wäre ein tanzender, Frühstücksflocken streuender Derwisch durch die Küche gefegt.
»Am besten, wir räumen sofort auf«, schlug Lara vor. »Sonst haben wir bald einen ganzen Zoo hier drin.«
»Was ich nicht kapiere«, sagte Bella, als sie sich, von ihrer Mutter mit Handfeger und Kehrblech ausgestattet, ans Werk machte, »ist, wie das Zeug aus dem Schrank auf die Arbeitsplatte gekommen ist. Ich weiß nämlich ganz genau, dass wir nichts haben stehen lassen, als wir nach dem Mittagessen aufgeräumt haben.«
»Ich weiß. Ich war tief beeindruckt«, erwiderte Lara. »Vielleicht hat Daddy es rausgestellt.« Undenkbar war das nicht. Marcus war bekannt dafür, dass er Lebensmittel aus dem Schrank nahm, um ein bisschen zu naschen, und sie hinterher nicht wieder zurückstellte.
»Und was ich nicht kapiere«, warf Olly ein, »ist, wie dieses kleine putzige Streifenhörnchen überhaupt ins Haus kommen konnte. Ich meine, hat es die Haustür aufgemacht, ist auf den Tresen geklettert und hat sich die Packung aus dem Schrank geholt?«
»Es muss irgendwo ein Loch geben«, vermutete Lara. »Vielleicht unter dem Haus. Ist euch aufgefallen, dass es auf einer Art
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