Hautnah
im Leben, mein Täubchen, ist die Liebe.« Sie legte eine Hand auf Laras Schulter.
Der Champagner in Laras Mund schmeckte sauer, als sie ihn hinunterschluckte.
»So.« Betty klatschte in die Hände. »Wo steckt denn eigentlich dein süßer kleiner Fratz?«
»Immer noch hinten und schaut sich die Fische an. Er kann gar nicht genug von ihnen bekommen.«
»Warum holst du ihn nicht, dann können wir gemeinsam nach draußen zu den anderen gehen.«
Lara gehorchte. Mit ihrer mütterlich bestimmenden Art hatte Betty sie förmlich überrollt. So war noch nie jemand zu ihr gewesen. Bestimmt nicht die ewig betrunkene Ansammlung zerplatzter Lebensträume, die sich ihre leibliche Mutter schimpfte.
Das Essen wurde bald darauf serviert, und Lara brachte eine einzige Jakobsmuschel herunter. Ihr Appetit schien sie verlassen zu haben.
Sie war es gewohnt, die Abende zu Hause mit ihren Kindern zu verbringen, und machte sich nicht viel aus Partys. Das galt erst recht für Partys voller Fremder. Außerdem war sie zu sehr mit ihren eigenen Gedanken beschäftigt, um zu versuchen, mit anderen ins Gespräch zu kommen. Sie hätte sich bemühen sollen, das wusste sie. Schließlich musste sie das Image der Waylands, den Mythos ihrer glücklichen, perfekten britischen Familie pflegen – und sei es nur, damit sie selbst wieder ein bisschen mehr daran glaubte.
Aber sie brachte es einfach nicht fertig. Stephen wiederzusehen war, als hätte jemand einen Stock zwischen die Speichen ihres Fahrrads geworfen. All die Jahre, die seitdem vergangen waren, die Leben, die sie getrennt voneinander gelebt hatten, waren wie zwei sich gabelnde Wege, von denen sie niemals geglaubt hätte, dass sie sich eines Tages wieder kreuzen würden. Doch genau das hatten sie nun getan. Sie waren nicht so weit voneinander entfernt gewesen wie vermutet.
Glücklicherweise war Jack auf ihrem Schoß eingeschlafen, so dass sie an den Schaukelstuhl auf der Veranda gefesselt war und eine ausgezeichnete Entschuldigung hatte, sich nicht ins Getümmel stürzen zu müssen. Stattdessen saß sie einfach da und beobachtete ihre Familie. Wie in letzter Zeit so oft, schienen Bella und Olly sich wegen irgendetwas in die Haare geraten zu sein. Während Bella in einer Hängematte lag und schmollte, mischte sich ihr Bruder unter die Gäste, ganz wie Marcus es immer tat. Er fing Gespräche mit den jüngeren Schauspielern an, klopfte hin und wieder jemandem auf die Schulter und schlenderte dann zur nächsten Gruppe weiter. Selbst nach seinen eigenen Maßstäben zu urteilen, war er an diesem Abend erstaunlich aufgeräumt. Sie sah ihn zu zwei jungen Männern mit einer Gitarre hinübergehen, und es dauerte nicht lange, da spielte er selbst, während die anderen ihm zuschauten und anerkennend nickten. Von Zeit zu Zeit jedoch kam er an Bella vorbei, beugte sich über sie und flüsterte ihr ein paar Worte ins Ohr. Ihrer Miene nach zu urteilen gefiel ihr nicht, was er sagte.
Lara hielt Ausschau nach diesem netten Jungen, Sean, und erspähte ihn schließlich, ins Gespräch mit James vertieft. Ihr fiel auf, dass er immer wieder zu ihrer Tochter herübersah, und einmal trafen sich dabei ihre Blicke. Sie hoffte, dass Olly mit seiner unsinnigen Loyalität diesem rückgratlosen Schwächling Jonny gegenüber ihr nicht dazwischenfunkte. Falls doch, wäre Lara enttäuscht, dass Bella es einfach klaglos hinnahm. Sie wünschte sich, ihre Tochter wäre nicht ganz so passiv und würde öfter die Zähne zeigen.
Passivität war bei einem jungen Mädchen der sichere Weg in die Katastrophe. Wenn irgendjemand das wusste, dann Lara Wayland.
15
F indest du, dass du fahren solltest?«, fragte Lara, als Marcus über den Rasen vor dem Haus torkelte und sich lallend von seinen neuen Freunden verabschiedete.
»Mir geht’s gut«, behauptete er.
Lara war anderer Meinung, aber da sie selbst kaum noch geradeaus laufen konnte, blieb ihnen wohl keine andere Möglichkeit.
Die Party war noch in vollem Gange. Unter Bettys Aufsicht hatten zwei der jüngeren Schauspieler Lautsprecherboxen auf der Veranda aufgestellt, und jetzt tanzten die Leute zu den Rolling Stones, und ihre langen Schatten wirbelten und drehten sich im Mondlicht. Bei den Waylands allerdings, deren innere Uhren nach wie vor auf britischer Zeit liefen, hatte irgendwann die Müdigkeit eingesetzt, und nun wankten sie auf ihr Auto zu, während sich die übrigen Gäste verrenkten und johlten wie ein Rasen voller Mick Jaggers.
Sie erreichten den Weg, wo
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