Hautnah
halben Granatapfel ein, so dass die Kerne herausflogen und der rosafarbene Saft über einen Couscoussalat spritzte, der auf einer grünen Platte angerichtet war.
»Wir haben auch eine Wohnung in der Stadt, unten im East Village, aber im Sommer halten wir uns dort nie auf. Im August ist es grauenhaft. Aber die Winter hier oben sind sehr hart. Der Schnee reicht bis hoch über die Veranda. Manchmal ist es einfach schön, die Wärme anderer Menschen zu spüren, die Güte von Fremden. In der Lage zu sein, einmal um den Block in eine nette Bar zu gehen oder sich was im Theater anzuschauen.«
»Das heißt, im Winter ist das Theater geschlossen?«
»O ja. In der kalten Jahreszeit macht hier kaum jemand einen Schritt vor die Tür, es sei denn, es ist absolut unumgänglich. Alle hocken zu Hause, bis ihnen irgendwann die Decke auf den Kopf fällt. Außer trinken machen die Leute nicht viel.«
»So ein Wetter kann ich mir hier gar nicht vorstellen. Mir kommt es ganz und gar unmöglich vor, dass es irgendwann einmal nicht drückend heiß sein könnte.«
»Glaub mir, Schwester: Hier kann man sich die Eier abfrieren. Stimmt’s, oder hab ich recht, Trudi?«
Trudi nickte von ihrem Platz an der Spüle aus, wo sie sich gerade einem Stapel Abwasch widmete.
»Kommen Sie hier aus der Gegend?«, erkundigte sich Lara bei Trudi. Der Dienstbotenstatus, den Betty der Frau zuwies, war ihr irgendwie unangenehm.
»Sie hat eine Wohnung unten im Ort«, antwortete Betty. »Ohne Trudi würde der gesamte Theaterbetrieb zum Erliegen kommen. Sie macht hier im Haus praktisch alles für James und mich. Und«, Bettys Stimme senkte sich zu einem Flüstern, »hin und wieder borgen wir sie auch an Mr Molloy aus.«
»Obwohl der nie will, dass ich ihm im Haushalt helfe.« Trudi drehte sich zu Lara um. Sie lächelte, und auf einmal kam Leben in ihr unbewegtes Gesicht. »Das macht er lieber selbst. Ich darf nur Besorgungen für ihn erledigen.« Mit Nägeln, die so abgebissen waren, dass es Lara bei dem Anblick schauderte, steckte sie sich eine fettige Strähne ihrer dunklen Haare hinters Ohr.
»Betty, kommst du irgendwann noch mal raus und gesellst dich zu uns?«, wollte James wissen, der in die Küche gerauscht kam. »Das Grillgut ist fertig. Wir warten nur noch auf dich.«
Betty hörte auf, den Granatapfel zu bearbeiten, und sah James von der Seite an. »Männer«, sagte sie. »Alles, woran ihr denkt, ist essen. Was ihr nicht begreift, ist, dass es nicht nur ein Fest für den Gaumen sein muss, sondern auch für die Augen. Wir kommen sofort, gib uns noch eine Minute.«
»Kann ich wenigstens Trudi haben? Ich brauche Hilfe beim Fleisch.«
Trudi sah zu Betty, die durch ein Nicken ihre Zustimmung signalisierte. Trudi wischte sich die Hände an einem Geschirrtuch ab und eilte hinter James her.
»Was für ein sonderbarer Charakter«, stellte Lara fest.
»Sie hatte ein bewegtes Leben«, sagte Betty. »Sie war früher mal Burlesque-Tänzerin, kannst du dir das vorstellen?«
Nein, das konnte Lara nicht. Mussten Burlesque-Tänzerinnen nicht Glamour ausstrahlen? Trudi war alles, nur nicht glamourös.
»Sie hat schlimme Zeiten durchgemacht, das arme Ding«, fuhr Betty fort, wusch sich die Hände und ging zum Kühlschrank. »Ist mit dem Gesetz in Konflikt gekommen und so weiter. Es hätte auch mich erwischen können …« Sie langte in den Kühlschrank und suchte dort nach etwas. »Du meine Güte, eine halbvolle Flasche Champagner.« Sie zwinkerte Lara zu. »Möchtest du vielleicht ein Glas, um dich ein bisschen aufzupeppen?«
»Sieht man mir an, dass ich das nötig habe?« Lara wischte sich die letzten Stückchen Basilikum von den Händen, bevor sie die Fingerspitzen ans Gesicht hob, um den Duft einzuatmen.
»Ach, Schätzchen.« Betty reichte ihr ein randvoll gefülltes Glas. »Das Wiedersehen mit ihm hat dich ganz schön aus der Bahn geworfen, nicht wahr?«
Lara sah sie scharf an.
»Sagen wir mal so, Schätzchen«, fügte Betty, die den Blick registriert hatte, hinzu. »Ich weiß, dass er sich sehr darauf gefreut hat, dich nach all der Zeit wiederzusehen.«
»Hat er das?«, fragte Lara.
»Und wie«, bekräftigte Betty und stürzte ihren Champagner hinunter. »Stephen und ich stehen uns sehr nahe. Er ist für mich wie ein Sohn. Aber mach dir keine Sorgen, ich habe kein Sterbenswörtchen verraten. Nicht mal James weiß davon. Wenn jemand Diskretion zu schätzen weiß, dann ich. Tratsch kann so viel kaputtmachen, findest du nicht? Das einzig Wichtige
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