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Hautnah

Hautnah

Titel: Hautnah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Crouch
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allerdings immer ein stummes Gebet, dass sie selbst nicht so enden möge wie Marcus’ Mutter: ein farbloses, verhuschtes Mäuschen, dünn wie ein Blatt Papier, das sich von ihrem herrischen Ehemann herumschubsen ließ.
    Aber natürlich würde sie nicht so enden wie Moira Wayland. In ihren Adern floss kein Tropfen von deren wässrigem Blut. Allerdings gab ihre eigene Mutter ein noch schlechteres Vorbild für ihr zukünftiges Selbst ab. Die Erkenntnis, dass sie in der Lage war, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen, unabhängig von den Zwängen ihres Erbguts oder den Erwartungen anderer, war Lara erst vor kurzem gekommen.
    »Wie gefällt euch unser kleines Nest?«, wollte Betty von ihr wissen.
    »Es ist sehr hübsch hier. Die Hitze ist ein bisschen anstrengend.«
    »Es wird bald ein Gewitter geben. Im August herrscht hier ein Wetter wie in Der Sturm . Es wird so heiß, dass man es kaum noch aushalten kann. Dann kommt irgendwann der Regen mit Blitz und Donner, und man kann endlich wieder atmen . Bis das Ganze wieder von vorne losgeht.«
    »So mag er fallen«, sagte Lara.
    »Nicht schlecht, Lara, Schatz«, sagte Betty mit einem Augenzwinkern. »Aber übertreib es nicht mit Zitaten aus unserem schottischen Stück. Das bringt Unglück. Also, wie ist eure Unterkunft?«
    »Ganz in Ordnung«, sagte Lara. »Ein bisschen staubig, aber wir sind gerade dabei, alles gründlich sauberzumachen.«
    »Oh«, machte Betty mit einer Spur Enttäuschung in der Stimme. »Wir haben doch vor ein paar Wochen extra zwei Leute damit beauftragt, das Haus zu putzen.«
    »Wahrscheinlich setzt sich in einem leerstehenden Haus der Staub einfach schneller ab«, sagte Lara. »Aber eins wollte ich noch fragen: Dürfte ich wohl den Teppich im Flur rausreißen?«
    »Teppich?« Betty runzelte die Stirn.
    »Den mit dem Fleck? Ich würde ihn gerne wegwerfen.«
    »Ich kann mich an keinen Teppich erinnern, Schatz«, gab Betty zu. »Aber die letzten drei Monate war ich so mit Set Me On Fire! beschäftigt, dass ich kaum etwas anderes wahrgenommen habe. Sicher, wenn er Flecken hat, reiß ihn raus, nur zu.« Sie wedelte mit den Fingern in der Luft herum. »Der Besitzer hat gesagt, wir können mit dem Haus machen, was wir wollen.«
    »Danke«, sagte Lara. »Und«, sie zögerte einen Moment, »danke für die Blumen. Die sind wunderschön.«
    »Blumen?« Betty hob eine perfekt geformte Augenbraue. »Nicht von mir, meine Liebe.«
    Lara runzelte die Stirn und wunderte sich.
    »Olly, wie hat dir denn unser Musical gefallen?« James stellte einen Ellbogen auf den Tisch, stützte das Kinn in die Hand und rückte Olly auf die Pelle.
    »Äh …«, brummte Olly.
    »Er fand es großartig!«, sagte Marcus überschwänglich. »Stimmt’s, Junge?«
    Olly murmelte seine Zustimmung.
    »Und normalerweise hasst er Theater«, fuhr Marcus fort.
    Ollys Lippen formten lautlos das Wort »Dünnschiss«. Lara hoffte, dass sie die Einzige war, die es gesehen hatte.
    »Wie fühlst du dich nach der kleinen Überraschung gestern Abend?«, wollte Betty von ihr wissen, sobald das restliche Essen da war und Marcus und James sich in ein lebhaftes Gespräch über verschiedene Regie-Ideen für Macbeth vertieft hatten.
    »Gut«, sagte Lara. Selbst wenn sie Betty vertraut hätte – und sie wusste nicht genau, ob sie das konnte –, im Moment wollte sie noch nicht darüber reden. Denn dadurch würde sie der ganzen Sache Realität zusprechen, und dazu war sie noch nicht bereit.
    »Wann seid ihr noch gleich bei ihm zum Abendessen eingeladen?«
    »Heute Abend«, antwortete Lara und fragte sich erneut, wie viel Betty wusste.
    »Es ist so schön, alte Freunde wieder zusammenzuführen.« Betty presste die Hände ans Herz.
    »Natürlich sind sich June und Brian viel zu vornehm dazu, sich herabzulassen, mit uns ins Diner zu kommen«, ließ Tony am Nebentisch verlauten.
    »Wenn ich Sie bitten darf, dieses zersetzende Gerede zu unterlassen, vielen Dank, Mr Marconi.« Betty drohte ihm mit einer rot lackierten Kralle.
    »Ich meine ja nur, Betty. Teamgeist sieht anders aus.« Tony senkte den Blick, um seinen tätowierten Bizeps zu bewundern.
    »Im Ernst, Hase. Kann man es ihnen verübeln, wenn du zum Mittagessen nichts anderes anzuziehen findest als ein Unterhemd?«
    »Miau«, machte der Junge mit den Strubbelhaaren.
    »June und Brian tragen diese Inszenierung. Sie brauchen in den Pausen ihre Ruhe«, erklärte Betty mit hochgezogener Braue.
    »Und wozu sie die brauchen, das wissen wir ja alle.« Tony

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