Hautnah
an ihm selbstbewusst und attraktiv gewirkt hatte, war zu einer paranoiden Eitelkeit verkommen. Sie erinnerte sich noch gut daran, wie er um sie geworben hatte – sie war so jung gewesen und er scheinbar so weltgewandt und erfahren. Sie hatte so fest daran geglaubt, dass er ihr die Welt in ihrer ganzen Pracht zu Füßen legen würde, dass sie sich ihm völlig ausgeliefert hatte.
Wie sie ihn vergöttert hatte. Seine Haare hatten in ihren Augen ausgesehen wie Feuer. Nach vier Monaten war er vor ihr auf die Knie gefallen und hatte ihr einen Heiratsantrag gemacht. Und sie hatte ja gesagt. Ohne zu zögern, vollkommen überwältigt von der Romantik des Augenblicks. Die Hochzeit hatte keine vier Wochen später stattgefunden.
Inzwischen war Lara längst klar, dass sie sich die Frage hätte stellen müssen, wieso Marcus, ein einunddreißigjähriger Mann, nicht ein wenig mehr Verstand bewiesen hatte.
Erst auf ihrer kleinen, beinahe heimlichen standesamtlichen Trauung – Lara hatte ihre Eltern nicht eingeladen, da sie nach ihrem ersten und einzigen Treffen mit Marcus mehrfach unmissverständlich angedeutet hatten, dass er zu alt und nicht gut genug für sie sei – war die Wahrheit ans Licht gekommen.
Sein alter Schulfreund Rufus war Trauzeuge. Lara sah ihn zum ersten Mal. Während Marcus’ Privatschul-Manierismen mit der Zeit einem allgemeinen Schauspieler-Habitus gewichen waren, hatte sich Rufus, der in London als Anwalt arbeitete, die kernige Ausgelassenheit, die ihm in Stowe anerzogen worden war, bis aufs letzte bisschen bewahrt.
»Ich freue mich so für euch beide«, verkündete er hinterher auf dem bescheidenen Empfang im Dirty Duck, als er Lara beschwipst einen Kuss auf die Wange drückte. »Ich dachte schon, nach Sophie wäre er zum ewigen Junggesellendasein verdammt.«
»Sophie?«
»Du weißt nichts von Sophie? Ups«, sagte er, warf eine Erdnuss in die Luft und fing sie mit den Zähnen wieder auf. »Da fragst du mal besser Marcus. Ich und mein loses Mundwerk.«
»Wer ist Sophie?«, fragte sie, als sie später am Abend in Marcus’ Wohnung nebeneinander im Bett lagen. Für Flitterwochen fehlten ihnen das Geld und die Zeit, da Marcus am laufenden Band Vorstellungen hatte.
Er fuhr buchstäblich zusammen.
»Wer hat dir von Sophie erzählt?«
»Rufus.«
»Das Arschloch.«
»Er hat es nicht absichtlich gemacht, es ist ihm nur so rausgerutscht.«
»Wer’s glaubt.«
»Und? Wer ist sie?«
Widerwillig erzählte Marcus ihr von der Frau, mit der er seit der Schauspielschule zusammen gewesen war und die ihn kaum acht Monate zuvor für einen Jüngeren, einen Kollegen aus dem Stück, in dem sie gerade spielte, verlassen hatte.
»Ich war total am Boden«, gestand Marcus mitleidheischend. »Ich habe sogar drüber nachgedacht, Schluss zu machen. Aber –«, fügte er hastig hinzu, »letzten Endes hatte es ja auch sein Gutes, denn wenn sie nicht mit diesem kleinen, affigen Möchtegern abgehauen wäre, hätte ich dich nie kennengelernt, und wir wären jetzt nicht zusammen.«
Vielleicht war Lara mit ihren neunzehn Jahren noch ein wenig grün hinter den Ohren. Nichtsdestotrotz wusste sie genau, wie die Dinge standen, und sie hätte sich am liebsten in den Hintern gebissen, weil sie so dumm und naiv gewesen war. Im Laufe der darauffolgenden Wochen versuchte sie, sich davon zu überzeugen, dass Marcus sich wirklich Hals über Kopf in sie verliebt hatte, konnte jedoch den Verdacht nicht abschütteln, dass er sie nur geheiratet hatte, um Sophie zu zeigen, dass sie ihm egal war und dass auch er sich eine Jüngere an Land ziehen konnte. Lara war lediglich sein Notnagel.
Und ausgerechnet an diesem Tiefpunkt war der junge Stephen Molloy nach Stratford gekommen, um genau wie Marcus in den niederen Rängen der Royal Shakespeare Company als Schauspieler anzufangen.
»Ah, da sind sie ja«, stellte Marcus gerade fest und schaute von seiner Speisekarte auf, als der Summer an der Tür ertönte und Bella von Jack ins Diner geschleift wurde. Olly folgte den beiden. Ihren Mienen nach zu urteilen, hatten sich die Zwillinge schon wieder gestritten.
»Um Himmels willen, wo habt ihr denn gesteckt?«, fragte Lara, während sie zur Seite rutschte, um ihnen Platz zu machen.
»Ich bin los, um Olly zu suchen –«, begann Bella, aber ihr Bruder fiel ihr ins Wort.
»Loverboy war am Pool«, sagte er und setzte sich neben Marcus. »Sie konnte sich nicht losreißen.«
»Das ist so was von gelogen«, protestierte Bella.
»Freund in
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