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Hautnah

Hautnah

Titel: Hautnah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Crouch
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wand.
    James reckte den Arm und winkte. »Leanne, Liebchen, meinst du, ich könnte einen Kaffee bekommen? Danke, mein Täubchen.«
    Lara glaubte zu sehen, wie der Mann in Jeans am Tresen beim Klang von James’ übertrieben näselndem Tonfall die Schultern anspannte.
    »Ach, du liebe Zeit, meine Süße, was in Dreiteufelsnamen ist denn das ?«, rief Betty aus, als sie sich neben Lara quetschte und auf deren Teller deutete. An diesem Tag trug sie eine Kombination aus Holzfällerhemd und weiten Levi’s, dazu Dreitagebart, toupierte Haare und ein komplettes Make-up. Sie sah aus wie Jane Russell auf Testosteron.
    »Angeblich Makkaronisalat«, antwortete Lara. »Aber es sieht eher aus wie ein Teller geronnene Mayonnaise.«
    »Herzlich willkommen, Trout Island Fünf«, rief Tony Marconi von seinem Platz inmitten einer Gruppe überschäumender Jungschauspieler.
    »Trout Island Fünf?«, fragte Lara.
    »So viele Pfunde nimmt ein Schauspieler zu, wenn er für uns arbeitet«, erklärte Betty. »Wir zahlen unsere Gage in Kalorien.«
    »Du weißt nicht zufällig, ob wir gestern Abend Jacks Teddybär bei euch vergessen haben?«, erkundigte sich Lara bei ihr.
    »Da bin ich überfragt. Als wir heute Morgen losgefahren sind, sah es bei uns aus, als wäre eine Bombe eingeschlagen«, berichtete Betty. »Aber ich werde Trudi bitten, danach Ausschau zu halten – sie wirbelt heute den ganzen Tag im Haus herum.«
    »Können wir die Vorstellung heute Abend nicht ausfallen lassen? Mein Kopf«, sagte ein Junge mit verstrubbelten Haaren neben Tony, dessen schwere Lider über blutunterlaufenen Augen auf halbmast hingen.
    »Das Theater ist der beste Arzt, Hase«, erwiderte James. »Du wirst phänomenal sein. Danke, Leanne, vielen Dank, meine Süße«, sagte er, als Leanne herumging und Eiswasser einschenkte.
    »Ihr habt alle gestern Abend viel zu viel getrunken, Kinder«, meinte Betty. »Ihr müsst ein bisschen mehr Zurückhaltung an den Tag legen. Ein bisschen mehr Selbstdisziplin.«
    »Du hast gut reden«, mischte sich ein großes, schlankes Mädchen ein, das aussah wie die junge Natalie Wood.
    »Wie bitte habe ich das zu verstehen?« Betty setzte sich kerzengerade hin und nippte an ihrem Wasser.
    »Du hast schließlich all die Jahre Zeit gehabt, die Sau rauszulassen«, sagte das Mädchen.
    »All die Jahre? All die Jahre? Was soll das denn heißen?«, fragte Betty. »Ihr wisst doch gar nicht, wovon ihr redet, ihr Unschuldslämmer. Mein kleiner Finger hat härter gearbeitet als alle eure Körper zusammengenommen. Disziplin ist mein zweiter Vorname, Schwester.«
    Olly konnte ein Kichern nicht unterdrücken, und Bettys Nasenflügel blähten sich. Es war schwer zu sagen, ob ihre Ansage als schlüpfriger Witz oder als ernsthafte Schelte gemeint gewesen war. Lara verstand Theaterleute nicht besonders gut, der ganze Lärm und das Trara überforderten sie. Sie wünschte, sie wäre in ihrem verstaubten Haus, wo sie in Ruhe ihren Tagträumen nachhängen und Ordnung schaffen konnte.
    »Meine Damen, vertragen wir uns doch bitte«, mahnte James. Dann stand er auf und richtete das Wort an die Gruppe. »Wissen alle, was sie bestellen wollen? Darf ich euch daran erinnern, dass ihr in exakt sechs Stunden wieder auf der Bühne steht? Ich bitte die Tänzer, sich tunlichst nicht zu überfressen!«
    Leanne bekam Verstärkung von einer zweiten Frau, die aus der Küchentür trat und sich die riesigen Hände an ihrer Schürze abwischte. Die beiden gingen von Tisch zu Tisch, um die Bestellungen aufzunehmen. Die zweite Frau bewegte sich mit schlurfenden Schritten, die grauen Kniestrümpfe waren ihr bis auf die bläulich aufgedunsenen Knöchel heruntergerutscht, und strähnige, halb ergraute, zum Pferdeschwanz gebundene Haare gaben den Blick auf die fahle Haut ihres Halses frei. Lara war von vorneherein nicht nach Essen zumute gewesen, aber bei dem Gedanken daran, dass diese Frau womöglich die Köchin war, verging ihr der Appetit auf ihren Makkaronisalat vollends.
    »Olly, Junge, reißt du dich bitte zusammen?«, fauchte Marcus und beugte sich zu seinem demonstrativ gelangweilten, ungeduldig wirkenden Sohn. An seiner Stirn schwoll eine kleine Ader, und wieder einmal fühlte sich Lara bei Marcus’ Anblick an dessen Vater erinnert, der genauso rothaarig und von ähnlicher Statur war. Gegenüber Freunden pflegte sie oft zu scherzen, dass er und Marcus sich so ähnlich seien, dass sie genau wisse, was sie im Alter von ihrem Mann zu erwarten habe. Diesem Scherz folgte

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