Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hautnah

Hautnah

Titel: Hautnah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Crouch
Vom Netzwerk:
Es kostete sie erhebliche Überwindung, lange genug im Flur zu bleiben, um ihn zu putzen. Der schwarze Belag, der alles bedeckt hatte, schwamm jetzt in ihrem Eimer und machte das Wasser ölig. Sie hoffte, dass die Atmosphäre im Haus nun etwas leichter werden würde.
    Aufgrund der Nachmittagshitze war der Fußboden innerhalb von kürzester Zeit getrocknet. Bei offener Haustür – sie hatten sie nach dem Heraustragen des Teppichs nicht wieder geschlossen – und im gesprenkelten Sonnenlicht, das durch den üppigen Baldachin der Bäume im Vorgarten hereinfiel, sah der Flur beinahe frisch aus, wie in einer Werbeanzeige für neuenglische Lebensart.
    Doch dann zerplatzte diese Illusion jäh durch das Geräusch eines Wischmopps, der im ersten Stock auf den Dielenboden geschleudert wurde. Lara hörte Bellas wutentbranntes »Lass mich einfach in Ruhe!«, gefolgt von ihren Schritten im Flur und dem Zuknallen ihrer Zimmertür.
    »Was ist da oben los?« Lara stieg die Treppe bis zur Hälfte hinauf.
    Olly kam mit einem nassen Lappen in der Hand aus dem Bad gestürmt.
    »Sie ist so eine Scheiß…« Er hielt inne und suchte nach dem passenden Wort, während seine Hände sich immer wieder zu Fäusten ballten. In seinen Augenwinkeln blitzten Tränen.
    »Ich halte das langsam nicht mehr aus«, rief Lara. »Seid ihr fertig da oben?«
    »So ziemlich«, sagte Olly, warf wütende Blicke auf Bellas Tür und wischte sich mit dem Arm die Nase.
    Lara stützte sich auf dem Geländer ab und sah zu ihrem erbosten Sohn auf. Was um alles in der Welt war mit den beiden los? In den vergangenen zwei Jahren war ihr Verhältnis zusehends angespannter geworden, und seit ihrer Ankunft in Trout Island schien es einen Quantensprung zum Schlimmeren gemacht zu haben. Das war ja fast schon offener Krieg.
    Wenn sie an Bella und Olly dachte, hatte sie ein ganz anderes Bild im Kopf als dieses wütende doppelköpfige Ungeheuer. Ein Bild, auf dem sie sechs Jahre alt waren, Hand in Hand auf irgendeinem Campingplatz im knietiefen Gras standen und in Erwartung einer lustigen Spielidee zu ihrer Mutter emporschauten. Damals waren sie unzertrennlich gewesen. Was war passiert? Sie fragte sich, ob Jacks Geburt und die damit einhergehende Verlagerung ihrer Aufmerksamkeit damit zu tun hatten. Etwas beruhigender hingegen war der Gedanke, dass solche Spannungen eine natürliche Begleiterscheinung des Erwachsenwerdens waren – die Geschwister lebten sich allmählich auseinander, und jeder ging seine eigenen Wege. Aber es brachte so viel Unruhe ins Haus; sie wünschte, es würde auch anders gehen.
    »Ach, lass gut sein. Leg die Putzsachen weg«, sagte sie zu Olly. »Du bist entlassen.«
    Olly hob Eimer und Mopp auf und stapfte die Treppe herunter. Als er an Lara vorbeikam, legte sie ihm eine Hand auf den Arm.
    »Was ist denn, Oll? Was ist los?«
    »Nichts.« Er schüttelte sie ab.
    Sie folgte ihm bis in die Küche.
    »Komm schon. Ich bin doch nicht blind. Was ist zwischen dir und Bella?«
    »Sie benimmt sich wie eine Schlampe«, knurrte Olly und kippte das Schmutzwasser aus seinem Eimer mit zu viel Schwung in die Spüle, so dass es überschwappte und sein T-Shirt durchnässte. »Scheißwichsfickpisse.«
    »Weil sie sich für einen Jungen interessiert?«, fragte Lara.
    »Du hast ja keine Ahnung, was da läuft.«
    »Ach, komm schon, Oll. Sei nicht so hart zu ihr. Hör mal.« Sie nahm ein Geschirrtuch und ging in die Knie, um die Wasserpfütze zu Ollys Füßen aufzuwischen. »Wenn du das aus irgendeinem absurden Loyalitätsgefühl Jonny gegenüber machst, dann verschwendest du nur deine Energie. Das wäre sowieso nicht ewig so weitergegangen. Sie waren viel zu jung. Glaub mir, es ist besser, sich möglichst viel Freiraum zu bewahren, bis man wesentlich älter ist.«
    »Du weißt genau, dass das totaler Schwachsinn ist.« Olly blickte mit zusammengekniffenen Augen auf sie herab. »Als du Dad kennengelernt hast, warst du doch gar nicht viel älter als Bella jetzt. Du willst ja wohl nicht sagen, dass das ein Fehler war, oder?«
    Lara stand auf, schob die Unterlippe vor und blies sich ein wenig dringend benötigte Luft ins verschwitzte Gesicht. »Nein, aber …«
    »Außerdem geht es gar nicht um Jonny.« Olly stellte den Eimer auf den Fußboden und versetzte ihm einen Tritt. »Dieser Sean ist ein mieser Typ.« Er spuckte den Namen förmlich aus. »Der hat es nur auf eins abgesehen.«
    Lara musste lachen. »Ach, Olly. Ich wusste gar nicht, dass du so prüde bist. Meinst du

Weitere Kostenlose Bücher