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Hautnah

Hautnah

Titel: Hautnah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Crouch
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überstürzt geheiratet hätte. Sie betrachtete das Foto. Sie durfte nicht vergessen, dass bereits zu jenem Zeitpunkt die Zwillinge in ihrem Bauch zu wachsen begonnen hatten. Sie waren schon in ihr gewesen, als sie Stephen zum ersten Mal gesehen hatte. Das Datum war eindeutig. Diesen Punkt hatte sie immer und immer wieder in ihrem Kopf gewälzt.
    Heiraten in Eile bereut man in Weile – traf das auch auf sie und Marcus zu? So schlimm war es doch nicht gewesen, oder? Das Schrecklichste war die Trauer, nachdem Stephen fortgegangen war.
    Sie war ins Garrick Inn gestolpert gekommen, ihr war schwindlig und übel gewesen, und sie hatte Angst davor gehabt, wie das Gespräch laufen würde. Der Arzt hatte ihr versichert, dass sie in der zehnten Woche sei. Mit Stephen war sie erst seit acht Wochen zusammen, also war klar, dass das Baby – zu diesem Zeitpunkt wusste sie noch nicht, dass es Zwillinge werden würden – von Marcus sein musste. Sie setzte sich auf den Stuhl neben Stephen im verrauchten Hinterzimmer. Er griff unter dem Tisch nach ihrer Hand.
    »Du siehst heute so wunderschön aus«, sagte er. »Noch schöner als sonst.«
    Sie schloss die Augen, ließ den Kopf hängen und atmete tief ein. Dann sah sie ihm in die Augen und teilte ihm mit, was in ihrem Kopf und in ihrem Bauch vorging.
    Das Blut wich ihm aus dem Gesicht.
    »Bist du sicher?«, fragte er, nachdem scheinbar ein ganzes Leben verstrichen war.
    »Ja.«
    »Was den Zeitpunkt angeht?«
    »Ja.« Dicke Tränen liefen ihr über die vom ersten Trimester geröteten Wangen. Sie hatte nicht gewagt, sich vorzustellen, was bei diesem Treffen passieren könnte.
    »Aber ich könnte doch so tun, als wäre es von mir«, sagte er. Erneut nahm er ihre Hand, diesmal auf der Tischplatte, nicht darunter. »Niemand braucht etwas davon zu erfahren.«
    Draußen – sie wusste nicht, weshalb sie sich noch so deutlich an diese Einzelheit erinnern konnte – rasten mehrere Fahrzeuge mit Martinshorn vorbei. Sie ließen die Gäste in ihren Bewegungen innehalten, brachten sämtliche Gespräche zum Verstummen und erfüllten den Raum mit flackerndem blauen Discolicht.
    Aber was, wenn es Marcus ähnlich sieht?, dachte sie. Der stämmige Körperbau und die roten Haare zogen sich durch seine ganze Familie. Wie um Himmels willen wollte Stephen – groß, schlank, dunkel – jemals eine kleine Marcus-Kopie als sein leibliches Kind ausgeben?
    »Ich muss es ihm sagen«, erklärte sie in die Stille nach dem Sirenengeheul hinein. »Sonst würde ich es mir niemals verzeihen.«
    Stephen seufzte, als begriffe auch er die Ausweglosigkeit ihrer Situation, dann vergrub er das Gesicht in den Händen. Lara saß da und sah ihn an und kam sich vor wie eine Hochseilartistin ohne Netz. Als er schließlich wieder aufblickte, glitzerten in seinen Augen Tränen.
    »Aber dann bist du auf ewig an ihn gebunden, und ich stehe nur im Weg«, sagte er.
    »Es könnte klappen …«, antwortete sie und spielte mit ihrem Bierdeckel, den sie in dünne, sich ringelnde Streifen gerissen hatte.
    Die Bar schien sich um sie herum zusammenzuziehen; der dumpfe, scharfe Geruch von Nikotin verfing sich in ihrer Kehle, und ihr wurde schlecht.
    »Ich kann das nicht machen«, sagte er schließlich. »Ich kann nicht deine Familie auseinanderreißen, jetzt, wo auch noch ein Baby im Spiel ist.«
    »Nein –«, flehte sie und griff erneut nach seiner Hand.
    »Ich werde von der Bildfläche verschwinden. Ich verschwinde, und du wirst mich nie wiedersehen.«
    An jenem Abend trank sie gegen jede Vernunft zwei große Guinness und er mehr Gläser Abbot, als sie zählen konnte. Danach gingen sie am Fluss entlang, fort vom Theater, um die Zeit bis zum Ende der Vorstellung totzuschlagen. Lara hatte sich mit Marcus verabredet. Sie wollte sich mit ihm nach dem Gespräch mit Stephen treffen, um ihm, sie wusste auch nicht, was, zu sagen.
    Als sie die Shakespeare’s Church erreichten, blieb Stephen stehen und zog sie für einen erbärmlichen, tränenreichen Abschiedsfick ins Gebüsch. Hinterher stand sie auf, klopfte sich vertrocknete Blätter und Zweige von ihrem braunen Cordrock – ein weiteres Mal war sie geradezu schockiert von der Detailgenauigkeit ihrer Erinnerung – und machte Stephen bittere Vorwürfe. Sie bezichtigte ihn als Feigling, verlangte von ihm, er solle bleiben und um sie kämpfen und sie weiter lieben. Wie um alles in der Welt könne er all das, was zwischen ihnen war, einfach wegwerfen?
    »Wir gehören zusammen«,

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