Havanna für zwei
Sie kennenzulernen«, sagte Louise schnell, die nicht wusste, ob sie es beleidigender fand, als »alt« oder als »Musiklehrerin« vorgestellt zu werden. Andererseits, wie sollte er sie sonst vorstellen? Louise war meine Geliebte, als ich noch Schüler war und sie meine Lehrerin. Das klang nicht gut, selbst so viele Jahre später.
»Ach ja, Jack hat mir von Ihnen erzählt. Haben Sie nicht den ›Battle of the Bands‹-Wettbewerb organisiert?«
Louise wäre am liebsten im Boden versunken. »Ja, das war ich. Es ist nett, Sie kennenzulernen. Wann ist denn die Hochzeit?«
»Im Sommer. Im Juli«, antwortete Aoife. »Hoffentlich haben wir schönes Wetter. Wir heiraten in Dublin. Ziemlich selten heutzutage, aber da wir unsere Familien und alle unsere Freunde dabeihaben wollen, haben wir entschieden, hier zu feiern.«
Louise nickte. »Gute Idee. Tja, dann viel Glück.«
»Danke!«, sagte Aoife.
»Dann auf Wiedersehen«, verabschiedete sich Louise, ein bisschen zu unvermittelt, selbst für ihren Geschmack, aber sie wollte, dass das Paar endlich weiterging, und Jack war anzumerken, dass ihm ebenfalls daran gelegen war.
»Tschau, Louise«, antwortete Jack und lotste seine zukünftige Braut am Kai entlang.
Louise hatte das Gefühl, keine Luft mehr zu kriegen. Zum Glück hatten ihre Kinder nichts von der ganzen Farce mitbekommen und Aoife hoffentlich auch nicht.
Sie erinnerte sich noch deutlich an das erste Mal, als sie und Jack ihr Verhältnis vollzogen hatten. Zwei Jahre lang hatten sie als Schüler und Lehrerin ihre gemeinsame Liebe zur Musik ausgekostet. Er blieb oft noch nach dem Unterricht, um mit ihr über die modernere Musik zu diskutieren, die ihn beeinflusste und die nicht auf dem Lehrplan stand. Louise genoss die Zeit, in der sie sich über die Verdienste von Nirvana und Pearl Jam im Vergleich zu den Stone Roses unterhielten. Das nahm oft die halbe Mittagspause oder noch länger in Anspruch, doch das störte keinen von beiden. Er war musikalisch gesehen so viel reifer als die anderen Schüler ihrer Klasse, und sie war an der Schule die einzige Musiklehrerin, sodass sie sich mit keinem ihrer Kollegen über ihr Fachgebiet austauschen konnte. Er brachte ihr Demobänder seiner Band mit, und auf dem Weg zur Arbeit und nach Hause hörte sie sich die Bänder liebend gern an. Wenn Donal sich nach dem Lärm erkundigte, der aus der Stereoanlage dröhnte, lächelte sie nur, weil es ihr das Gefühl gab, jung zu sein und den Kontakt zur neuen Generation nicht zu verlieren. Sie hatte nicht das Gefühl, dass musikalisch gesehen zwischen ihnen eine große Kluft war. Obwohl sie vier Jahre studiert hatte, fand sie, dass er ein instinktives Gefühl und Wissen darüber besaß, was Musik bedeutete, das man sich nicht aneignen konnte, indem man sich mit Manualen und Tonleitern quälte. Sein natürliches Talent war eine Gabe, und darum beneidete sie ihn. Sie selbst hatte hart arbeiten müssen und sich richtig hineingekniet, indem sie ganze Konzerte auswendig lernte und stundenlang übte. Jack hingegen musste nur eine Gitarre in die Hand nehmen, um sie auf eine Art zum Klingen zu bringen, wie es ihr selbst auch nach endlos langem Üben nie gelingen würde.
Dann, kurz nach Ende des 3. Trimesters, bot Louise Jack an, ihm ein paar Tipps für die Vorbereitungen zur Abschlussprüfung zu geben. Sie wussten beide, dass ihr Angebot nicht frei von Hintergedanken war; es war die Chance, ein Bedürfnis zu befriedigen, das sie beide seit dem ersten Mal quälte, als er nach dem Unterricht geblieben war, um mit ihr über Musik zu sprechen.
Damals wohnte Louise mit Emma in einem kleinen Reihenhaus im alten Teil Clontarfs zur Miete, und aufgrund Emmas hoher Ansprüche an Ordnung und Sauberkeit und ihrer eigenen Schludrigkeit war es nicht leicht, sich wegen des Putzens zu einigen.
Doch meist fanden sie einen Kompromiss: Louise warf ihre Klamotten und ihren Krimskrams in Schrankkoffer und Wandschränke, um das Durcheinander zu kaschieren, und Emma drückte ein Auge zu.
An diesem speziellen Tag jedoch, als Jack bei ihr vorbeikam, stellte sie eine Vase mit Blumen auf den Tisch in der kleinen Küche und legte im Wohnzimmer, wo sie den Unterricht abhalten wollte, eine CD mit Carmina Burana von Carl Orff auf. In der halben Stunde, bevor er kam, zog sie sich mehrfach um. Sie wollte nicht alt und autoritär wirken, und trotzdem wusste sie nicht, ob sie die Grenze wieder überschreiten würden wie damals im Musikzimmer nach dem »Battle of the
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