Havanna für zwei
Stufen hinauf, um sie aus der Nähe zu betrachten.
In Sichtweite fuhr ein alter amerikanischer Pontiac vorbei, von dessen Rücksitz ein jubelndes junges Paar winkte. Die Frau war ganz in Weiß gekleidet und trug Blumen im Haar. Ihnen folgten laut hupend diverse Autos anderer Marken.
»Das ist eine kubanische Hochzeit. Das zu sehen bringt Glück!«
Emma beobachtete, wie die Kinder aus dem Dorf singend und vor Freude klatschend hinter dem Autokorso herrannten. Das ganze Szenario hatte etwas so Bezauberndes, dass es Emma glücklich und traurig zugleich machte. Sie wünschte, Paul wäre bei ihr; er hätte Fotos davon geknipst. Sie wünschte sich verzweifelt, diesen Moment nie zu vergessen, wusste aber nicht, wie sie ihn festhalten sollte, bis Felipe sanft seine Hand auf ihren Arm legte.
»Soll ich ein Foto machen?«, schlug er vor, und Emma fragte sich, ob er ihre Gedanken lesen konnte.
»Ich habe meine Kamera im Auto gelassen.«
»Ihr Handy?«
Das hatte Emma ganz vergessen. Sie kramte es aus ihrer Tasche und reichte es Felipe. Er erwischte das junge Paar samt Entourage gerade noch, bevor sie eine schmale Straße hinauffuhren und für immer verschwunden waren.
»Stellen Sie sich vor das Hemingway-Denkmal, dann mache ich ein Foto von Ihnen.«
Emma tat, wie ihr befohlen, kam sich dabei aber blöd vor. Bisher hatte sie so gut wie keine Erinnerungsfotos geschossen. Jedes Mal, wenn sie mit dem Gedanken spielte, fiel ihr ein, dass Paul nicht dabei war, und so war es leichter, gar keine zu machen.
Lächelnd legte sie den Kopf schief, als Felipe sie fotografierte. Dann kam er zu ihr und gab ihr das Handy zurück.
»Stellen Sie sich neben mich«, bat sie und hielt das Telefon um Armeslänge von sich, sodass man im Hintergrund die Festung und das Meer sah. Sie knipste und drehte ihr Handy, um sich den Schnappschuss anzusehen. Felipe war fotogen. Sie aber auch! Der Kontrast zwischen ihrer sommersprossigen und seiner dunklen, sonnengebräunten Haut machte sich gut vor dem klaren blauen Himmel.
Emma reichte das Handy an Felipe weiter, damit er sich die Aufnahme ansehen konnte. Er schaute kurz darauf und sah auf zu Emma. Ihre Blicke trafen sich. Der Moment war spannungsgeladen. Beide hatten denselben Gedanken – wie gut sie zusammenpassten.
»Vielleicht sollten wir gehen?«, schlug er vor.
»Ja, ich glaube, wir müssen mal nach Sophie sehen«, meinte Emma verlegen. Es war das erste Mal seit langem, dass sie sich auf einem Foto mit einem Mann sah, der nicht Paul war, und es schockierte sie – weil es ihr gefiel.
Schweigend liefen sie zurück. Alle paar Schritte blickte Emma zum Hafen und zu den alten Männern, die am Ufer ihre Netze flickten. Als sie nur noch wenige Meter vom Wagen entfernt waren, bemerkten sie, dass etwas nicht stimmte. Alle Fenster standen weit offen.
Mein Laptop! , dachte Emma entsetzt.
Sophie war verschwunden.
Felipe fluchte auf Spanisch, rannte zum Kofferraum und öffnete ihn. Er blickte hinein und seufzte vor Erleichterung.
»Ich dachte, Ihre Taschen wären weg, aber Sie haben Glück. Ihr Laptop und Ihre Kamera sind auch da.«
»Aber wo ist Sophie?«
»Die kommt nicht weit!«, sagte er, knallte den Kofferraum wieder zu und verschloss Fenster und Türen. »Folgen Sie mir!«
Sie liefen eine leichte Steigung hinauf, bis sie zu einem wunderbar instand gehaltenen gelben Haus mit Mahagonifensterläden kamen, wie sie kein anderes Haus im Dorf hatte.
»Das ist La Terraza «, erklärte er und wusste, dass Emma es verstehen würde.
»Wow! Das ist fantastisch«, schwärmte sie und betrat das Restaurant. »Hier hat Ernest Hemingway also immer mit seinen Angelfreunden gesessen.«
An der langen Mahagonitheke saß Sophie, ein großes Glas in der Hand, das mit einer klaren Flüssigkeit gefüllt war. »Ich hätte draufgehen können!«, stöhnte sie und trank einen großen Schluck.
»Wir haben dir doch die Fenster aufgelassen. Es besteht kein Grund, so melodramatisch zu werden!«, protestierte Emma. »Aber du hast meinen Laptop und unser Gepäck unbeaufsichtigt gelassen!«
Sophie zuckte gleichgültig mit den Achseln. Wie immer hatte es keinen Sinn, mit ihr zu diskutieren.
»Ich glaube, ich nehme ein Bier«, meinte Emma. »Es sei denn, wir haben noch Zeit, etwas zu essen?«
Felipe schüttelte den Kopf. »Ich würde sehr gerne, aber ich muss noch zum Flughafen, um dort Kunden abzuholen und nach Varadero zu bringen.«
Emma verstand. Da war selbst ein Bier zu viel des Guten, aber Felipe wollte einen
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