Havanna für zwei
verstand. »Also, Greg, woher kennen Sie meine Schwester?«
»Ich habe sie in meinem Hotel getroffen. Wenn ich zurückkomme, muss ich dem Personal dort ein Trinkgeld geben. Ihre Schwester ist eine äußerst angenehme Gesellschaft. Wir haben hervorragend zu Mittag gegessen.«
Sophie runzelte die Stirn. Im Mittelpunkt zu stehen war doch ihre Rolle.
Emma strahlte, und Sophie entging nicht, dass es sie erwischt hatte.
»Wo sind die Damen denn abgestiegen?«
»El Telégrafo« , antwortete Emma.
»Ich muss jetzt noch ein bisschen arbeiten, aber dürfte ich mit Ihnen zu Abend essen? Ich esse nur ungern allein, und ich kenne in Havanna ein paar gute Restaurants.«
»Das klingt toll, Greg«, sagte Emma. »Wir sind gerade erst dabei, uns zurechtzufinden, und es wäre gut, von jemandem herumgeführt zu werden, der sich auskennt.«
»Wie wär’s um halb acht? Ich komme vorbei und hole Sie ab, eh?«
»Okay«, willigte Emma mit einem fragenden Blick zu Sophie ein, die gleichgültig mit den Achseln zuckte.
»Noch einen schönen Nachmittag, die Damen«, verabschiedete er sich und zwinkerte Emma zu, während er davonschlenderte.
Emma war sichtlich rot im Gesicht, während sie ihm nachsah.
»Mein Gott, Emma, geht’s noch offensichtlicher?«
»Was meinst du damit?«
»Du hast dich ihm förmlich an den Hals geworfen! Dabei ist dein Mann erst seit wenigen Monaten tot!«
Emma schnappte nach Luft. »Verpiss dich, Sophie!« Sie fühlte sich, als hätte man ihr einen körperlichen Schlag versetzt. »Ich hab mich nur mit ihm unterhalten.«
Sophie warf ihr einen Blick zu, der besagte, dass sie genau wusste, was ihre Schwester wirklich im Sinn hatte. Der fantastische Fremde hatte bei ihr dieselben Fantasien ausgelöst.
Mit den Tränen kämpfend stapfte Emma in Richtung Plaza de la Catedral davon. Sie war völlig durcheinander. Zuerst aufgrund der liebenswürdigen Aufmerksamkeit, die Felipe ihr hatte zuteilwerden lassen, und jetzt durch die Schmeicheleien das Kanadiers. Sie beide hatten ihr dabei geholfen, den Schmerz der vergangenen sieben Monate zu vergessen, und sie konnte gut darauf verzichten, sich von ihrer jüngsten Schwester Schuldgefühle einreden zu lassen.
Sophie lief mit genügend Abstand hinter ihr her, um sie nicht aus den Augen zu verlieren, aber auch nicht zu nahe. Sie fand alles so ungerecht. Emma durfte die trauernde Witwe spielen, während sie nur im Stillen trauern durfte, und jetzt erlaubte sich Emma auch noch einen Flirt!
Greg gab dem Kurier ein großzügiges Trinkgeld. Zwei CUC waren viel Geld für den Jungen.
Greg hatte ein paar clevere Käufe getätigt und war sehr zufrieden mit dem Verlauf seiner Reise. Es war ein besonderes Highlight, dass er der faszinierenden Irin und ihrer Schwester über den Weg gelaufen war. Vielleicht konnte er heute Abend ein bisschen Spaß mit ihnen haben. Das Leben könnte nicht schöner sein. Er hatte wirklich das Beste aus beiden Welten.
Kapitel 10
Donal nahm sich einen Schlauch und begann, sein Boot von unten abzuspritzen. Er hoffte, dass Emma sich amüsierte. Sie hatte eine Abwechslung verdient. Nach Pauls Tod war er der Einzige gewesen, den sie um Unterstützung hatte bitten können. Mr und Mrs Owens dachten nur an sich und waren ihr überhaupt keine Hilfe. Sie glaubten, ihre Elternpflichten damit erfüllt zu haben, ihre Töchter großzuziehen und ihnen ein Studium zu ermöglichen, und dass es nun an der Zeit war, dass ihre Kinder sich um sie kümmerten. Deshalb wurden die Festessen an Weihnachten und zu anderen Familienfeiern auf Emmas und Louises Schultern abgeladen, und jetzt, wo er der einzige Schwiegersohn war, sah er schon kommen, dass ihre Eltern noch mehr Anforderungen an Louise und ihn stellen würden.
Emma würde weiterhin nach der Pfeife ihrer Eltern tanzen und Louise genauso. Es war zwar unfair, aber so waren die Pflichten in der Familie verteilt.
Für Sophie hatte er nicht viel übrig, weil sie immer einen Anlass für Streitereien zwischen den Schwestern bot. Sie wusste genau, wie sie Louise auf die Palme bringen konnte, und das machte auch sein Leben schwieriger.
Aber die komplizierteste Schwester hatte er sich ausgesucht. Sie hatten sich rein zufällig kennengelernt, aber schon bei seiner ersten Begegnung mit Louise hatte er gewusst, dass sie seine Zukünftige war. Sie waren grundverschieden, die lebenslustige Musiklehrerin und der pragmatische Wirtschaftsprüfer, doch er hatte immer geglaubt, dass das Schicksal sie zusammengeführt hatte. Er war
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