Havanna für zwei
Central, und Felipe hielt vor der Tür des Hotel Telégrafo.
»Soll ich dich morgen zum Flughafen bringen?«
Diese schlichte Frage brachte Emma aus dem Konzept. Daran hatte sie überhaupt nicht gedacht. »Ich weiß nicht. Wie ist das geregelt? Organisiert das nicht der Reiseveranstalter?«
Felipe schüttelte den Kopf. Ihr Zögern verletzte ihn. Er musste sich schützen. Er wollte sich nicht verlieben und begab sich auf gefährliches Terrain.
»Vielleicht ist es das Beste, wenn wir uns jetzt verabschieden«, murmelte er.
Emma hatte Schuldgefühle wegen des Kusses, sehnte sich aber danach, Felipe wiederzusehen. Sie stieg aus und blieb neben dem Wagen stehen.
»Vielen Dank für alles, was du für mich getan hast.«
Als sie dort am Straßenrand stand, fühlte sie sich wie ein kleines, verirrtes Mädchen.
»Gern geschehen.« Er nickte ihr freundlich zu. »Ich hatte eine schöne Zeit – ich hoffe, du hast eine gute Heimreise, Emma.«
Damit wandte er sich ab, trat aufs Gaspedal und fädelte sich ohne einen Blick zurück wieder in den Verkehr ein.
Emma war, als nähme er einen Teil von ihr mit. Ihr graute jetzt schon vor dem einsamen Hotelzimmer. Sie sah auf die Uhr. Fast zwei Uhr morgens. In Felipes Gesellschaft war die Zeit wie im Fluge vergangen. Sie betrat das Hotel und nahm die Treppe. Mit jeder Stufe wurde ihr das Herz schwerer, und in ihr tobte das reinste Gefühlschaos. Sie hatte nicht mit Sophie gerechnet, die zusammengerollt im Bett lag und tief und fest schlief. Emma interessierte brennend, was mit Greg vorgefallen war, sie würde sich aber bis morgen gedulden müssen, um es herauszufinden.
Sophie stellte ihr Gepäck so unbeholfen auf das Band am Check-in-Counter, dass Emma es am liebsten gerade gerückt hätte. Aber Sophie war eine erwachsene Frau, und vielleicht war es an der Zeit, dass sie endlich die Verantwortung für sich selbst übernahm.
Emma reichte die Tickets dem Steward der Air France, der ihre Pässe und Dokumente für den Flug kontrollierte.
» Merci, Mesdames . Ihr Flug geht von Gate zwei.«
Emma dankte dem Steward lächelnd und folgte Sophie, die schon missmutig davongestapft war.
»Warte doch mal!«, rief sie ihr nach.
Sophie blieb unwillig stehen.
»Sophie, wie soll ich wissen, was los ist, wenn du nicht mit mir sprichst?«
»Ich hab dir doch gesagt, dass ich nicht drüber reden will. Ich will nur einen Saft.«
»Du hättest mit mir zum Frühstück runtergehen sollen.«
»Ich hab doch gesagt, ich war zu mies drauf.«
Sie passierten die Sicherheitskontrolle und liefen weiter zum Duty-free-Shop.
»Das wird ein langer Flug, und wenn du die ganze Zeit schmollen willst, kannst du dich genauso gut woanders hinsetzen.«
»Ist mir längst recht!«, schnauzte Sophie.
Sie gingen an Bord des Fliegers und nahmen schweigend ihre Plätze ein. Sophie verschanzte sich hinter dem Bordmagazin.
Sie waren schon über dem Atlantik, als Emma den Stier bei den Hörnern packte.
»Was war denn mit Greg los?«
»Er war total egoistisch. Er hat sich mit einem unverschämten kleinen Staatsbeamten getroffen, und ich hab mich fast drei Stunden zu Tode gelangweilt. Wo warst du? Ich hab versucht, dich anzurufen.«
»Du hast keinen Zweifel daran gelassen, dass du mich nicht sehen wolltest, bevor wir auf dem Weg zum Flughafen sind.«
»Du warst wahrscheinlich mit diesem Taxifahrer zusammen.«
»Felipe war sehr charmant. Und nenn ihn nicht ›dieser Taxifahrer‹. Er ist übrigens Anwalt.«
Sophie spitzte die Ohren. »Du machst Witze!«
»Was spielt sein Beruf für eine Rolle? Der Tag mit ihm hat Spaß gemacht.«
»Wahrscheinlich ist es an der Zeit, dass du dich neu orientierst. Paul ist tot, und du musst endlich darüber hinwegkommen.«
»Er war mein Mann. Das verstehst du nicht.«
Sophie funkelte Emma wütend an. Was für eine bodenlose Frechheit! Sie setzte sie immer mit so kleinen abfälligen Bemerkungen herab.
»Nur weil du ein paar Jährchen älter bist als ich«, gab sie schroff zurück, »heißt das noch lange nicht, dass du immer alles besser weißt. Ich weiß weit mehr über Verlust, als du dir vorstellen kannst.«
Der Chefsteward teilte Kissen und Decken an die Passagiere aus, die schlafen wollten. Die Stimmen der Schwestern wurden immer aufgeregter und lauter, sodass ihre unmittelbare Umgebung auf sie aufmerksam wurde.
»Was weißt du denn schon über Verlust? Du warst nicht mal auf Grannys Beerdigung, weil du lieber übers Wochenende nach Amsterdam wolltest, um mit deinen
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