Havanna für zwei
die Tränen in die Augen.
Larry war nicht der Typ, der mit den Gefühlsausbrüchen seiner Töchter gut umgehen konnte. Er hatte schon genug damit zu kämpfen, mit seiner Frau klarzukommen.
»Weiß Donal, dass du so unglücklich bist?«
Louise konnte nicht fassen, dass sie dieses Gespräch mit ihrem Vater führte. Sie hatten einander noch nie das Herz ausgeschüttet. Normalerweise hatte er nur mit Sophie eine solche Vertrauensbasis.
»Donal ist genauso unglücklich. Er hat es mir neulich Abend gesagt, und es geht mir nicht mehr aus dem Kopf.«
»In welcher Beziehung?«
»Wir sind in einen Trott verfallen und tauschen uns nicht so richtig über unsere Gefühle aus.«
Larry verstand genau, was sie meinte. »So ist das eben in einer Ehe. Eure Mutter ist in all den Jahren oft auf mich losgegangen, und ich hielt es für das Beste, es einfach zu ignorieren.«
Louise hatte Mitleid mit ihrem Vater. Sie erinnerte sich noch, welche Probleme ihr Vater oft im Urlaub gehabt hatte, ein anderes Apartment zu organisieren, weil mit dem, das Maggie und er bei der Ankunft zugeteilt bekommen hatten, grundsätzlich immer etwas nicht stimmte. Wenn sie alle gemeinsam essen gingen, fühlte sich Maggie auf dem Platz, den sie sich ausgesucht hatte, niemals wohl, und sie mussten so lange die Plätze tauschen, bis sie endlich zufrieden war.
»Wie bist du die vielen Jahre mit ihr klargekommen?«
»Sie ist halt meine Frau. Man findet sich damit ab.« Larry klang resigniert.
»Ich glaube, damit geben sich Paare heutzutage nicht mehr zufrieden, Dad.«
»Deshalb gibt es auch so viele Scheidungen. Egal, mit wem du zusammen bist, es läuft immer auf dasselbe hinaus. Beziehungen verfallen in ein bestimmtes Muster, und jeder Partner nimmt seine Rolle ein.«
Louise lächelte ihren Vater dankbar an. Er stammte zwar aus einer anderen Generation, aber vielleicht hatte er recht.
»Ich weiß nicht, was ich wegen Donal unternehmen soll. Ich dachte immer, ich wüsste, was in seinem Kopf vor sich geht.«
»Weiß er denn, was in deinem vor sich geht?«
Louise schüttelte mit Nachdruck den Kopf.
»Siehst du! So ist das in den meisten Ehen.«
Louise verstand, was ihr Vater meinte, aber das reichte ihr nicht mehr. Genauso wenig wie Donal.
Dehannys war daran gewöhnt, jede Gelegenheit zu ergreifen, die sich ihr bot. Man musste findig sein, um in dem System zu überleben. Emma hatte ihr versprochen, Kleidung für ihren Sohn zu schicken, und Fernando konnte jede Hilfe gebrauchen – egal von wem.
»Hey, Pedro. Wo arbeitest du heute?«
»Hey, Dehannys. Im Computerraum.« Er schüttelte vielsagend den Kopf. Heute war es ungünstig. Diego hatte Dienst.
»Könntest du mal meinen E-Mail-Account checken und nachsehen, ob ich Nachrichten habe?«
»Klar. Ich sehe, was ich tun kann. Aber wenn ich erwischt werde, muss ich sagen, dass du mich darum gebeten hast.«
»Selbstverständlich.«
»Und was springt für mich dabei raus?«
»Mein Vater hat eine Flasche Rum für dich. Die bringe ich dir morgen mit.«
Pedro nickte zufrieden. Das war das Risiko wert.
Dehannys war an Tauschhandel gewöhnt. Ihre Kollegen machten das alle so, und sie hatte das Glück, dass ihr Vater in der Rumfabrik arbeitete. Ihr Onkel besaß einen Bauernhof und baute Gemüse an, das er auf dem Wochenmarkt verkaufte. Das war eine große Erleichterung für die ganze Familie und ermöglichte es ihrer Mutter, das paladar weiter zu betreiben. Doch in diesem Jahr würde alles noch schwieriger als sonst, nachdem die Hurrikans im Land großen Schaden angerichtet hatten. Die Reisrationen pro Kopf waren schon auf monatlich 4 Kilo reduziert worden, und es konnte noch schlimmer werden.
Sie wartete den ganzen Tag geduldig, polierte Gläser und schenkte Getränke ein.
Als Pedro gegen Ende ihrer Schicht mit einem Zettel zu ihr kam, freute sie sich.
»Danke! Das ist wunderbar.«
»Denk an die Flasche Rum. Morgen!«
Dehannys nickte. Sie hatte sich schon neugierig über den Ausdruck gebeugt und bemühte sich, die E-Mail zu verstehen. Jetzt wünschte sie, sie hätte sich in den Englischstunden an der Tourismusschule mehr angestrengt. Die Nachricht war zwar an Felipe gerichtet, doch sie fand die Sätze, die ihr galten.
Sie verstand das englische Wort für »Schuhe«, musste Felipe aber noch fragen, was »parcel« bedeutete. Auch Felipe würde sich wahnsinnig über eine Nachricht von Emma freuen. Sie faltete den Zettel zusammen und versteckte ihn in ihrer Handtasche. Sie würde großen Ärger
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