Havelgeister (German Edition)
Block. Einige Informationen hatte ihm Karin schon zugesteckt, alles Dinge, die sie regelmäßig aus dem Polizeifunk holte. »Luc, das ist Lucas Feuerbach?«
»Wie sein richtiger Name ist, weiß ich nicht. Aber kann schon sein, dass er Lucas heißt.«
»Gut, weiter. Aber dass Nepo Nepomuk Böttger heißt, weißt du schon?«
Ob so viel Blödheit verdrehte sie die Augen in Richtung Zimmerdecke.
Wegmann ließ das unbeeindruckt. »Habt ihr euch auch manchmal bei Nepomuk getroffen?«
»Nee. Ist viel zu weit draußen. Außerdem hätte uns sein Alter nie und nimmer ins Haus gelassen. Mann«, sagte sie und riss plötzlich ihre Schweinsäuglein auf, »die haben sogar Wachleute und alles so’n Scheiß. Meinst du vielleicht, ich will wegen den feinen Pinkeln auf die Fresse kriegen?«
Wegmann unterbrach die Fragerei. Öffnete sich hier nur der Graben zwischen zwei sehr unterschiedlichen sozialen Kasten, oder steckte mehr dahinter? Das musste er genauer wissen. »Was meinst du mit feinen Pinkeln?«
»Na, die sind doch stinkreich. Haben alles, was sie brauchen und noch mehr. Da, wo schon ein Haufen ist, scheißt der Deibel noch mal hin, sagt meine Oma immer.«
»Du magst diese Leute nicht?«
»Nö, aber ich darf da nichts sagen. Meine Mutter putzt für die.«
»Und trotzdem hast du Nepomuk als so etwas wie euren Boss akzeptiert und gemacht, was er gesagt hat.«
Die Schweinsäuglein wurden wieder kleiner und sahen nach unten auf den Fußboden. »Die Jungs … Die haben alles gemacht, was der gesagt hat. Weicheier. Die haben doch nur Pisse im Hirn.« Dann ging ein Ruck durch ihren Körper, und sie schickte Wegmann einen gereizten Blick. »Aber ich nicht. Ich hab auch eine Ehre im Leib.«
Genau, dachte Wegmann. Und deshalb hockst du den ganzen Tag in deiner Bude und schaufelst alles in dich hinein, was dir vor die Lippen kommt. Irgendwann wirst du platzen, Mädel, mit oder ohne Ehre. »Sprühst du gar nicht mehr?«, fragte er.
»Nö.«
»Und warum nicht?«
»Kein Bock mehr?«
»Wirklich? Auf einmal keinen Bock mehr.«
Sie riss den Kopf hoch und funkelte Wegmann an. »Hast du mich nicht verstanden, du Arsch? Ich hab keinen Bock mehr. Auch nicht mit dir zu reden, du Sau. Los hau ab und verpiss dich endlich.«
»Gleich«, entgegnete Wegmann mit der Gelassenheit eines erfahrenen Großvaters. Er hatte Lunte gerochen. Da guckte doch ein Konflikt heraus, oder täuschte er sich? Er zerriss einen weiteren Schein und hielt alle drei Hälften in Richtung Melanie, auch die, die bislang unter der DJ-Ötzi-Mütze gesteckt hatte. »Was ist es wirklich? Da steckt doch mehr dahinter als keine Lust?«
Melanie fixierte die Geldscheine. Was mochte jetzt in ihrem Kopf vorgehen? Wegmann hätte es zu gerne gewusst. Nach zehn Sekunden Geldscheingaffen schnellte endlich ihr Arm wie die klebrige Zunge eines Chamäleons nach vorn und zog die Knete an die Brust.
»Es ist wegen dieser Schlampe«, schnaufte sie.
»Schlampe? Wen meinst du damit?«
Wieder sah Melanie den Journalisten mit hasserfüllten Augen an. Sie kochte vor Wut. »Na, das Püppchen, das er vor zwei Monaten angeschleppt hat. Auch so ’ne feine Dame. Aber die hat er eigentlich nur wegen ihrem Alten geködert.« Sie schluchzte plötzlich auf.
»Was hat denn eure Crew mit dem Vater dieses Mädchens zu tun?«
»Gar nichts!«, kam es wie aus der Pistole geschossen. »Nepomuk und Kevin waren der Meinung, dass wir uns auf diese Art ihren Vater vom Leib halten können. Sie sagten, diese Schlange müsste nur zu uns gehören.«
»Quasi als Schutzschild?«
Melanie schien nicht sofort zu begreifen, wie Wegmann die Frage gemeint hatte, nickte dann aber. »Ja, weil er doch Bulle ist. Sie haben gehofft, dass er uns dann in Ruhe lässt.«
»Und dann war mehr zwischen den beiden, als nur die Option des Schutzschildes, oder?«
Melanies Schluchzen wurde heftiger. Schwere Tränen rollten über ihre Pausbacken und fielen von dort auf den Stoff ihrer Jogginghose. Oberhalb des Knies entstand ein dunkler, schnell anwachsender Fleck.
»Kevin, der Idiot, hat sich in sie verknallt und wollte dann nichts mehr mit mir zu tun haben …« Sie setzte einen Blick auf, als sehe sie ihrem Henker direkt in die Augen. »Sie haben mich einfach abserviert, die Schweine.«
Was sollte Wegmann dazu sagen? Am besten nichts, denn er war nicht hier, um eine Siebzehnjährige zu trösten. Mit dem Gefühl alles gehört zu haben, erhob er sich. Nur der Name des Mädchens fehlte ihm noch. »Wie heißt denn die
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