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Havelgeister (German Edition)

Havelgeister (German Edition)

Titel: Havelgeister (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Wiersch
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hinunter und klatschte verärgert in die Hände. Genauso wie vor zehn Jahren weinte er auch jetzt dem hinter ihm liegenden Schulgebäude keine Träne nach, denn damals wie heute verließ er das von-Saldern-Gymnasium ohne jeden Erkenntnisgewinn.
    »Wir geben keine Auskünfte über unsere Schüler«, hatte die Sekretärin abweisend erklärt. Und dieser Satz klang, als hätte man ihn ihr über den gesamten Vormittag eingeimpft. Das Motiv war allzu offensichtlich. Alle Medienvertreter sollten möglichst schon im Sekretariat abgewimmelt werden. Man wollte keinen Ärger mit Thomas Böttger, denn man brauchte seine Spenden und fürchtete seine Macht.
    Aber wie in jeder Schule gab es auch bei den Saldrianern einen Schulhof und der war ein sprudelnder Quell an Informationen. Für zehn Euro hatte Wegmann dann das bekommen, weswegen er sich hierher auf den Weg gemacht hatte. Einen Zettel mit der viel versprechenden Adresse einer ehemaligen Schülerin.
    Nur fünfzehn Minuten später ließ ihn die Mutter in ihre Zweizimmerwohnung und schickte ihn einen schmalen Flur entlang. Kaum hatte er die ihm gewiesene Tür geöffnet, zerfetzten üble Klänge seine Ohren. Wegmann war zwar erst dreißig, aber für das, was in dem winzigen Zimmerchen aus den Boxen ballerte, war er doch schon ein bisschen zu alt. Die tumben, wie aus einer Endlosschleife stammenden Technoklänge ließen ihn die Augen zusammenkneifen.
    Er bückte sich und tippte Melanie, die auf einem pinkfarbenen Sofa lag, auf den wabbeligen Oberschenkel. Als sie nicht reagierte, schritt er zur Wand und zog das Kabel aus der Steckdose. Augenblicklich herrschte Ruhe.
    »Eh!«, schmollte Melanie und versuchte sich aufzurichten. Vergebens. Ihr Körperschwerpunkt sorgte dafür, dass sie lediglich hin und her wippte wie ein auf den Rücken gefallener Hirschhornkäfer.
    Wegmann erkannte die günstige Gelegenheit. »Ich muss mit dir reden, Melanie«, sagte er und versetzte den Körper der Siebzehnjährigen, die bereits rot anlief, in eine Schaukelbewegung.
    »Lass das, du Sau. Hör auf, an meinem Bein zu ziehen«, fluchte sie.
    Wegmann wippte sie unbeeindruckt weiter. »Wenn du mir einige Informationen gibst, dann gerne.«
    »Eh, hör auf, habe ich gesagt.« Sie keifte wie eine Marktschreierin und glich immer mehr einem rot glühenden Kessel, der jeden Moment zu explodieren drohte.
    Endlich hielt Wegmann sie an und sah zu, wie Melanie sich ächzend zur Seite drehte. Dann baute sie sich schnaufend vor ihm auf.
    »Bist’n du für’n Vogel? Hast se wohl nicht mehr alle.«
    »Doch«, antwortete Wegmann und setzte ein arrogantes Lächeln auf. Er griff in die Jeanshose und winkte mit einem Zehn-Euroschein. »Die Informationen sollst du mir auch nicht umsonst geben«. Er warf den Geldschein zwischen sich und Melanie auf den Boden.
    Wie ein Sumoringer schoss sie nach vorn und knallte ihren fleischigen Fuß auf die Bodendielen. Der Geldschein war gesichert.
    »Das ist aber erst eine Anzahlung, oder?«, behauptete sie und zog den Fuß langsam zurück.
    Wegmann wackelte bedächtig mit dem Kopf, als überlege er. »Gut«, sagte er dann. »Ich leg noch mal zehn drauf, und du erzählst mir alles, was du weißt.«
    Zwanzig Euro waren für ein junges Mädchen viel Geld. Erst recht, wenn es keinen Bock auf eine Ausbildung hatte und die Mutter bei reichen Leuten putzen ging. Sie schlug ein und steckte den zweiten Schein unter ihr Shirt. Hoffentlich findest du ihn zwischen all den Fettringen wieder, dachte Wegmann.
    »Du willst was über Nepo wissen, stimmt’s?«
    Auch wenn sie augenscheinlich den ganzen Tag damit verbrachte, eine Pizza nach der anderen zu verdrücken, war sie, was die Vorgänge in der Stadt betraf, ganz gut im Bilde.
    »Was weißt du denn über ihn?«, begann Wegmann seine Fragerei und zog den Notizblock aus der Jackentasche.
    »Über Nepo?« Sie fragte, als wüsste sie plötzlich nicht mehr, worum es ging. Akute Amnesie, das Los der mit Geld Angefütterten.
    Wegmann zog einen weiteren Schein aus der Hose und zerriss ihn in zwei Teile. Einen warf er Melanie zu, den anderen steckte er unter seine DJ-Ötzi-Mütze. »Den kriegst du, wenn du meine Fragen beantwortet hast.«
    Sie drehte den halben Geldschein mit ihren Wurstfingern hin und her. Nach kurzem Überlegen siegte schließlich ihre Gier.
    »Frag!«, forderte sie Wegmann auf.
    »Die Crew, zu der Nepomuk Böttger gehört, wo trifft die sich?«
    »Meistens an der Wand . Manchmal aber auch bei Luc.«
    Wegmann blätterte in seinem

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