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Havelgeister (German Edition)

Havelgeister (German Edition)

Titel: Havelgeister (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Wiersch
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Bürste und Schere auf ihn zu und strahlte ihn an.
    »Haben Sie einen Termin?«, fragte sie, ließ Manzetti aber nicht die Zeit für eine Antwort. »Wenn nicht, dann machen Sie es sich in unseren Sesseln bequem, wir bauen Sie irgendwo ein.«
    Manzetti überlegte kurz und strich sich über seine zählbare Haarpracht. »Eigentlich suche ich jemanden. Eine Kundin mit dem Namen Schuster.« Er versuchte, in den Spiegeln das Gesicht von Kevins Mutter zu erkennen.
    »Hier. Kommen Sie.«
    Er wurde in eine Ecke geführt, wo Rosi Schuster sich den Händen von Anni anvertraut hatte. So jedenfalls wurde ihm die schlanke Frisörin vorgestellt, die gerade dabei war, das Haar von Kevins Mutter in Form zu bringen. Ein wahres Meisterwerk, vor allem wenn man bedachte, dass Rosi Schuster die letzten fünf Jahre sicher nicht in einem solchen Salon gewesen war.
    Sie erkannte Manzetti sofort und drehte sich in ihrem Sessel zu ihm um. »Haben Sie Kevin gefunden?«
    »Nein, Frau Schuster, aber ich muss dringend mit Ihnen reden.«
    Ohne viele Worte zog die Chefin des Salons eine Tür auf und bot den dahinter liegenden Raum als Gesprächszimmer an.
    »Kaffee, Saft, Sektchen?«
    »Danke. Wir wollen nur reden. Es dauert auch nicht lange«, entgegnete Manzetti und war angetan von so viel Verständnis.
    Er wartete noch, bis die Tür wieder verschlossen war, und räusperte sich dann. »Wir haben Kevin noch nicht gefunden. Und ich bin auch im Moment nicht mehr im Polizeidienst, glaube aber, dass ich Ihren Sohn trotzdem aufspüren kann.«
    Rosi Schuster hatte den aufkeimenden Mut wohl gerade wieder verloren. Sie senkte den Kopf und sah enttäuscht auf den Fußboden. »Er ist tot, stimmt’ s?«
    Manzetti schüttelte den Kopf. »Dafür gibt es keine Anhaltspunkte, und ich bin sicher, dass er noch lebt.«
    Sie hob ihren Kopf und sah Manzetti an. »Ich weiß«, sagte sie in einem Tonfall purer Resignation. »Und wenn Sie ihn morgen finden wie Nepomuk, dann erklären Sie mir mit den gleichen Worten, dass Sie alles unternommen haben, was möglich war.«
    »Nein. Das tue ich bestimmt nicht, und ich komme im Moment auch nicht als Polizist, sondern als Vater von Lara, der Freundin von Kevin. Sie war zuletzt mit ihm zusammen, und als Kevin entführt worden ist, hat man meine Tochter niedergestochen.«
    »Entführt?«, fragte sie, und endlich kam so etwas wie Leben in ihre Augen. »Woher wissen Sie, dass er entführt wurde?«
    »Ich weiß es nicht«, erklärte Manzetti, »aber ich nehme es an.«
    »Wer soll ihn denn entführt haben? Und wie können Sie mir helfen? Wieso kommen Sie zu mir? Ich will meinen Sohn wiederhaben. Wieso sagt mir niemand, was passiert ist?«
    Manzetti dachte eine Weile nach, dann entschloss er sich zu reden. Er erzählte Kevins Mutter von der Mühle in Ketzür und von dem, was Lara Kerstin erzählt hatte. Dann wollte er seine Vermutung absichern, warum Kevin, genau wie der Böttgerjunge, entführt worden war. »Stimmt es, Frau Schuster, dass Ihr Sohn mit einem Spenderherz lebt?«
    Sie sah ihn erstaunt an, zögerte einen Moment, bevor sie zu sprechen begann. »Kevin ist mit einem schweren Herzfehler zur Welt gekommen«, sagte Frau Schuster. »Die Ärzte hatten ihn schon abgeschrieben, weil ein Spenderherz die einzige Möglichkeit war, dass er ein normales Leben führen kann. Aber die Warteliste in Deutschland ist sehr lang, und ein Kind, das in Verhältnissen wie Kevin groß wird, steht da nicht gerade auf den vorderen Plätzen.«
    »Aber er hat dennoch eines bekommen.«
    »Ja«, sagte Rosi Schuster und musste sich eine Träne wegwischen. »Ich bin schließlich seine Mutter.«
    Manzetti konnte sich zwar nicht vorstellen, was das mit der Transplantation zu tun hatte, schwieg aber. Er hoffte, sie würde weiterreden, solange er sie nicht unterbrach.
    »Und da musste ich über meinen Schatten springen. Ich habe also meine Mutter angerufen und sie gebeten, sich für Kevin einzusetzen. Schließlich war sie schon damals eine anerkannte und selbst über die Grenzen hinweg geschätzte Malerin.«
    »Und was hat sie getan?«
    »Sie hat sich für ihn eingesetzt. Nach nicht einmal drei Monaten hatte sie ein passendes Spenderherz aufgetrieben und holte Kevin zu sich. Ich habe mich sogar bei ihr bedankt.«
    »Und wo ist er operiert worden? Hier in Brandenburg?«
    »Nein. Sie wohnt ja erst seit einem Jahr wieder hier. Sie war irgendwann nach Jugoslawien gegangen. Wegen der Liebe zu einem Kosovoalbaner, der bei der DEFA in verschiedenen Indianerfilmen

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