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Haveljagd (German Edition)

Haveljagd (German Edition)

Titel: Haveljagd (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Wiersch
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in Ordnung, Kind?«
    Natalie fixierte Michaelis mit den Augen einer auf Männer angesetzten Scharfrichterin. »Ach, Frau Leffler. Ich muss mal wieder zu Ihnen kommen.«
    »Dann komm doch«, sagte Karin.
    Als Natalie endlich verschwunden war, hakte Michaelis nach. » Du siehst schlecht aus, ist alles in Ordnung? Was ist das denn für eine Frage?«
    »Wieso? So taucht man in die Gefühlswelt ein, und die Kleine sieht wirklich nicht gut aus. Du übrigens auch nicht.«
    Michaelis schüttelte den Kopf. »Bei mir hat es aber mit Sicherheit nichts mit dir zu tun, bei ihr bin ich mir da nicht so sicher. Wie lange hast du sie denn therapiert? Ich nehme an, dass sie jetzt von ihrem Lover getrennt lebt und damit nicht umgehen kann, weil sie ihn immer noch liebt.«
    Karin hatte sich offenbar von seinem Kopfschütteln anstecken lassen. »Aus dir wird nie ein vernünftiger Therapeut, Werner. Dir fehlt einfach das Einfühlungsvermögen.«
    Das konnten sie aber nun nicht mehr ausdiskutieren, denn die Kellnerin erschien mit dem Tee.
    »Der Chai.« Natalie stellte die Tassen auf den Tisch, nicht ohne dabei ein bisschen zu kleckern. »Frau Leffler, ich hole mir mal einen Termin. Wissen Sie, der Toni …« Dann brach sie in Tränen aus und rannte ins Café zurück, wo sie die Toilettentür hinter sich zuzog.
    »Gehst du nicht zu ihr? Du bist schließlich ihre Therapeutin.«
    »In meiner Praxis schon, aber doch nicht hier. Erzähl lieber von dir. Was bedrückt dich denn nun?«
    Er überlegte, wo er anfangen sollte.
    »Es geht um meinen alten Schulfreund Kurt …« Er stockte und sah ihr direkt in die Augen. Die waren unaufgeregt, ruhten in sich. »Vielleicht hast du über ihn etwas in der Zeitung gelesen. Kurt Becher. Der angebliche Selbstmord.«
    Sie nickte.
    »Also, Kurt und seine Frau … Es war furchtbar. Er hatte mich gebeten, mit ihm zu reden, und dann habe ich beide tot in ihrem Blockhaus gefunden.« Die grauenvolle Erinnerung drang zurück in sein Bewusstsein. Kurt und Eva in ihren Betten, beide mit dem dunklen Fleck auf der Stirn. »Und ich glaube nicht, dass es Selbstmord war«, fügte er hinzu.
    »Ist es nur der Glaube?«
    Jetzt wechselten die Bilder. Er sah Andrea und Dr. Bremer vor sich, wie sie beide den Computerbildschirm betrachtet hatten, auf dem die bunten Linien sich zu einem Diagramm formten. Vasopressin.
    »Ja, … ich meine, nein. Anfangs war es der Glaube. Mein alter Freund Kurt. Ich habe es ihm einfach nicht zugetraut.«
    »Und nun? Was ist es nun?«
    »Jetzt ist es Gewissheit.«
    »Für wen?«
    »Für mich und für Andrea. Wir haben sogar einen Beleg …« Er sah in ihre fragenden Augen. »Es deutet alles darauf hin, dass sie vor ihrem Tod …« Sollte er wirklich? Aber Karin war schließlich keine Fremde. Sie war irgendwie doch ein Teil seines Lebens. »In seinem Blut fanden wir Spuren von Vasopressin. Und deshalb geht Dr. Bremer davon aus, dass man Kurt vor seinem Tod gefoltert und reanimiert hat.«
    »Wozu? Wer sollte ein Interesse daran haben, deinen Freund zu reanimieren und ihn dann doch zu erschießen? Er war doch quasi schon tot.«
    Michaelis nickte geistesabwesend. Irgendwie fiel es ihm sehr schwer, sich zu konzentrieren. Immer wieder tauchten Bilder vor seinem Auge auf. »Wer, wissen wir nicht. Jedenfalls war es kein Notarzt. Und wozu man das getan hat, können wir nur vermuten.«
    »Und?«
    »Es ist denkbar, dass man Kurt gefoltert hat, um von ihm so etwas wie eine Aussage zu erpressen, und als es dabei zum Herzstillstand kam, hat man ihm Vasopressin injiziert, weil er womöglich sein Geheimnis noch nicht offenbart hatte.«
    »Also ist der Täter, wenn es denn einen gibt, kein Raubmörder.«
    »Nein.« Aber mit Geld hatte es vielleicht trotzdem etwas zu tun. Seit dem Gespräch mit Malte Richter kreisten seine Gedanken auch um Tim. Und um ein Testament, in dem der Enkel von Kurt möglicherweise mit einer großen Summe bedacht war, deren Auszahlung jemand anderes unbedingt verhindern wollte. Und dabei auch vor einem Mord nicht zurückschreckte?
    »Komm«, sagte sie. »Erzähl mir, was dich noch bedrückt.«
    Wie sollte er ihr das erzählen? Er wusste es ja selbst nicht so genau. Es waren eben die Umstände. Es war Kurt Becher in Gänze. »Alles fing wohl etwa zum letzten Jahreswechsel an«, begann er. »Man machte Kurt den Vorwurf, er habe sich Kinderpornos aus dem Netz heruntergeladen, fand aber keine Beweise, weil sein Computer bei einem Einbruch verschwand. Von den Anschuldigungen muss aber etwas nach

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