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Haveljagd (German Edition)

Haveljagd (German Edition)

Titel: Haveljagd (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Wiersch
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Manzetti.
    »Was?«
    »Ich gehe jetzt«, wiederholte er. »Wenn du mir etwas zu sagen hast, ruf mich an.«
    Erst als Andrea schon an der Tür stand, gab Michaelis den nächsten Laut von sich. »Setz dich bitte wieder.«
    Manzetti verharrte in der Bewegung, hielt aber die Türklinke fest.
    »Ich habe doch bitte gesagt. Also los. Setz dich wieder hin.«
    Manzetti nahm die Hand von der Klinke und drehte sich um. Er schaute in das vollkommen überhitzte Gesicht von Michaelis, sah wie der durch seinen halb geöffneten Mund schwer atmete und über und über mit Schweißrinnsalen bedeckt war, die regelrecht von seiner Halbglatze plätscherten.
    »Mach bloß das Fenster auf«, forderte Manzetti. »Wir kommen sonst noch um hier.«
    Michaelis nickte stumm und riss beide Fenster mit einer Vehemenz auf, als wäre es im letzten Augenblick geschehen.
    »Und die Vorhänge wieder davor, damit die Sonne draußen bleibt«, wies Manzetti ihn an und warf sein Sakko auf den Ohrensessel. »Was wirfst du mir eigentlich vor?«, fragte er dann.
    Michaelis entledigte sich seines Hemdes, mit dem er dann seinen Oberkörper trocken rieb. »Ich habe Karin getroffen«, sagte er.
    »Ich auch. Aber ich benehme mich nicht so merkwürdig«, erwiderte Manzetti.
    »Ja, aber ich habe einen Grund dafür.«
    »Dann lass mal hören.«
    Aus der Theaterklause drang leise Jazzmusik durch das geöffnete Fenster. Louis Armstrong besang eine wundervolle Welt. »Warum machst du frei und tust so, als ermitteltest du mit mir wie ein Privatdetektiv?«
    Manzetti kniff kurz die Augen zusammen. »Was soll die Frage?«
    Michaelis antwortete nicht sofort. Er rieb hörbar die Backenzähne aufeinander. »Ich frage mich, warum du das tust? Du hättest doch genauso gut zu deiner Familie in die Toskana fahren können. Stattdessen sitzt du hier in Brandenburg, obwohl du Urlaub machen oder Überstunden abbummeln könntest, und tust so, als wolltest du mir helfen.«
    »Was soll das?«, fragte Manzetti. Sein Ton wurde bereits lauter.
    »Was das soll?« Michaelis sprang auf und baute sich vor Manzetti auf. »Das kann ich dir sagen. Ich habe das Gefühl, dass ich hier nach Strich und Faden verarscht werde. Das soll das.« Er sah Karin im Rattansessel sitzen und behaupten, dass Andrea ihn nur sanft auf den rechten Weg zurückbringen wolle.
    »Spinnst du jetzt?«, erboste sich Manzetti.
    »Ich?«, schrie Michaelis. »Ich soll spinnen?« Hinter seinem Rücken krümmten sich die Finger und bildeten fleischige Fäuste. »Ich spinne ganz und gar nicht. Un… ich habe verdamm noch mal ein Recht darauf, fair behan… zu werden.«
    Er war mittlerweile so in Rage, dass er nicht einmal merkte, wie er erst einzelne Buchstaben und dann ganze Silben verschluckte. »Du musst dir nicht einbil…, dass ich meschug… bin, nur weil ich das Rentenalter erreicht ha... Ich bin noch imm… ganz klar im Kopf.«
    »Ja?«, fragte Manzetti keinen Deut leiser und stand auch auf. »Dann benimm dich auch so.« Manzetti überragte Michaelis um gut einen Kopf und musste zu ihm runterschauen. »Du führst dich hier auf wie ein Hampelmann und bist kurz davor, einen riesigen Fehler zu machen.«
    Michaelis hatte zwar noch immer jede Faser seines Körpers angespannt, sah aber Manzettis Augen, das übermächtige Weiß darin, und spürte wie gerade der letzte Funken Heiterkeit diesen halbitalienische Vulkan verließ. Ein Signal, das er nicht auf die leichte Schulter nehmen sollte. »Ich führe mich auf, wie es mir passt«, schrie er trotzdem mit unverminderter Lautstärke weiter. »Und du musst dich einen Dreck um mich scheren. Ich bin alt genug, und brauche niemanden, der auf mich aufpasst.«
    Ohne Luft zu holen, brüllte Manzetti ihn an. »Hör auf. Hör endlich auf mit diesem Quatsch oder ich …« Es war nicht nur ein lang gezogener Brüller, es war wie ein Bombeneinschlag in unmittelbarer Nähe. Dann rannte Manzetti zum Fenster, wo er die Vorhänge zur Seite riss. Er knetete seine zitternden Finger. »Kannst du mir mal sagen, was in dich gefahren ist, oder müssen wir uns weiter streiten, bis die Fäuste fliegen?«
    Michaelis Antwort ging in dem Sirenenlärm eines Krankenwagens unter, der auch Louis Armstrong überdeckte.
    »Ich habe dich nicht verstanden«, sagte Manzetti.
    Jetzt drehte sich Michaelis um und lehnte sich gegen das Fensterbrett. Sein Blick fiel auf das Bild neben dem Bücherregal. Ein klappriger Gaul, der in seinen letzten Zuckungen gerade zusammenbrach, dessen Vorderläufe schon nachgegeben hatten

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