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Haveljagd (German Edition)

Haveljagd (German Edition)

Titel: Haveljagd (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Wiersch
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braucht nur noch einen kurzen Moment. Nehmen Sie sich doch etwas zu trinken.«
    »Gerne«, sagte er und setzte sich an den Tisch, wo er sich ein bisschen vom Geschwafel der Herren über die Vorzüge des Golf GTI einlullen ließ. Dean Martin, der aus einem alten Radio sein »Release me« einforderte, verhalf ihm auch nicht gerade zu neuer Energie.
    Dann brachte Nina den großen Teller und pfiff auf den Fingern nach den Kindern, die auch prompt ihre wilden Spiele stoppten und vollkommen durchgeschwitzt in die Tischgemeinschaft einfielen. Selbst Tims T-Shirt trug dunkle Ränder unter den Achseln. Ansonsten war auch der Nachwuchs Bio. Niemand musste sich waschen, selbst die Hände blieben in der Farbe, die ihnen der dunkle Mutterboden verliehen hatte.
    Alle fielen sie über ihre Teller her, der eine mit der Gabel, der andere mit bloßen Fingern und Nina mit der Grillzange. Sie schnitt Tims Wurst in Scheiben und stellte ihm seine Portion auf das Tablett, das an seinem Rollstuhl befestigt war.
    »Ich heiße Frank, und das ist Olli«, stellte der größere der beiden Männer sich und seinen Nachbarn vor. »Ist das dein Auto?« Er blickte zu Lottes Käfer.
    »Ja, warum?«, log Michaelis.
    »Fährt der überhaupt noch?«, wollte Olli wissen, und schob sich fast eine halbe Wurst in den Mund.
    »Sonst wär er doch nicht hier«, beschied Frank mit einem Augenzwinkern und hielt Michaelis eine Bierflasche entgegen. »Prost.«
    »Prost«, erwiderte Michaelis und hoffte, dass dies die einzige Frage nach Lottes Käfer und Autos im Allgemeinen blieb. Das war ein Thema, mit dem er so gar nichts anfangen konnte.
    »Kennst du Nina schon lange?«, wollte Olli wissen und erzwang damit auch gleich die Aufmerksamkeit der beiden Frauen.
    Michaelis sah zu Tim, der mit seiner Bratwurst beschäftigt war, und wählte die Gegenwartsform. »Ich bin ein Freund ihres Vaters.«
    Vier Augenpaare schauten nun auf Nina, registrierten dort ein kurzes Nicken und kamen dann zu Michaelis zurück. Alle hatten offensichtlich den Faden verloren und niemand wusste so recht, was er sagen sollte. Olli, der durch seine Frage die Situation heraufbeschworen hatte, schaufelte verlegen und bergeweise Kartoffelsalat auf seinen Teller und von da gleich in den Mund. Für ihn wohl so etwas wie die Rettung, denn mit vollem Mund spricht man nicht.
    Auch die anderen sahen nach unten, suchten die leeren Teller ab. Schließlich war es Michaelis, der das durchdringende Schweigen und den Gesang von Eros Ramazotti unterbrach, der mittlerweile Dean Martin abgelöst hatte.
    »Und?«, fragte er. »Was fahrt ihr so für Autos?«
    Wie durch ein Wunder war die Atmosphäre plötzlich so, wie sie vor ein paar Minuten geherrscht hatte. Als wäre nie etwas gewesen, schwoll die Lautstärke wieder an, die Männer hatten ihr Thema zurück und die Frauen ermahnten die Kinder, nicht so wild zu sein.
    »Danke«, sagte Nina, als sie neben ihm Platz nahm.
    »Keine Ursache«, antwortete Michaelis und setzte etwas leiser hinzu: »Sie werden bald Nägel mit Köpfen machen müssen, sonst könnten sich solche Situationen häufen.«
    »Ich weiß, aber selbst wenn es komisch klingt, ich bin noch nicht so weit.«
    »Sie wissen, dass Sie die Botschafterin sein sollten und nicht der Zufall?«
    Sie nickte stumm und sah mit einem Blick zu Tim, über den nur eine Mutter verfügt. »Ja, auch das weiß ich.«
    Frank stieß Olli an. »Haben wir nichts Poppiges. Dreh doch mal an der Kiste und versuch, einen anderen Sender zu finden.«
    Olli drehte sich um und beugte sich akrobatisch bis zu dem Radio, das auf einem weißen Hocker stand.
    »Was darf’s denn sein?« Er drehte von einem Rauschen zu lautem Quietschen, bis er endlich einen Sender gefunden hatte, der klar durchkam.
    »Nö«, kam es sofort von Frank. »Doch nicht so ’n Kram.«
    Michaelis beobachtete die Szene aufmerksam und dachte, dass die Musik, die gerade aus dem Lautsprecher kam, bestimmt kein Kram war. Brahms, Sinfonie Nr. 3. Aber Musik war eben Geschmackssache.
    Endlich war Olli fündig geworden.
    »Das ist gut. Lass das doch bitte«, verlangte seine Frau. Sie hatte die Melodie offenbar erkannt und sie, wozu nur Frauen in der Lage waren, gleich mit einem wundervollen Erlebnis verknüpft. Barry White heulte eine seiner Balladen durch die Luft – Let the music play.
    »Das ist doch Katzenjammer«, sagte Olli.
    »Lass es an.« Das war eine klare Ansage, und Olli gehorchte, wohl auch, weil ihre Erinnerungen stärker waren als seine

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