Havelsymphonie (German Edition)
nette Fraue, deine Fraue“, sagte er und goss einen neuen Grappa nach.
„Zwei reichen“, wehrte Manzetti ab. „Meine Frau ist immer noch nett, Ricardo. Nein, es ist Gott sei Dank nicht die Frau. Es ist der Beruf.“
„Ja, ja“, stöhnte der Italiener. „Die Berufe.“
„Ein Scheißjob ist das manchmal“, klagte Manzetti, der mehr zu sich, als zu Ricardo sprach. „Ich könnte heulen.“
„Dann mache dasse doch. Siehte doch keiner.“
„Später.“ Manzetti begann schon wieder zu lächeln. „Ich danke dir, mein Lieber. Was bekommst du?“
„Gehte auf die Hause. Iste Therapie.“
22
Bremer und Sonja warteten schon.
„Was ist denn?“, wollte Sonja wissen, als Manzetti Bremers Büro betrat.
Er gab ihr keine Antwort und fragte stattdessen Bremer: „Haben Sie die Haare schon untersucht, die an der Hose klebten, die ich Ihnen bringen lassen habe?“
„Sie meinen die von Silbermann?“ Bremer kratzte sich am Hinterkopf.
„Ja.“
„Habe ich. Katzenhaare. Stammen von einem schwarzen, männlichen Tier.“
Manzetti stellte sich mitten in Bremers Büro. Er öffnete den Gürtel seiner Hose, knüpfte die Schnürsenkel auf, zog die Schuhe aus und die Füße durch die Hosenbeine. Dann richtete er sich wieder auf, sah in das verdatterte Gesicht von Sonja und schüttelte den Kopf. „Hier.“ Er hielt Bremer die Hose hin. „Da müssten die gleichen Katzenhaare dran sein, wie an der Hose von Silbermann.“
Bremer nahm die Hose zwischen Daumen und Zeigefinger, ganz so, als wäre sie der Überträger einer ansteckenden und die Menschheit ausrottenden Krankheit.
„Und du machst besser den Mund wieder zu.“ Zur Unterstützung schob er Sonjas Unterkiefer mit seinem rechten Zeigefinger nach oben.
In den Augen der jungen Polizistin tauchte ein merkwürdiger Glanz auf. „Dr. Bremer, haben Sie so etwas schon erlebt?“
„Nein“, antwortete Bremer, obwohl er nicht wirklich wusste, was Sonja gemeint hatte.
„Gucken Sie sich meinen Chef an. Da kommt er in einem Aufzug, von dem ich nicht in den kühnsten Träumen erwartet hätte, dass er ihn überhaupt besitzt, und dann schmeißt er ihn auch noch vor unseren Augen ab.“
„Was heißt hier Aufzug?“ Manzetti protestierte vehement. Jetzt sah er allerdings wirklich ein bisschen komisch aus, in seinem Pullover und mit den schwarzen Kniestrümpfen, so ganz ohne Hose. „Hast du noch nie jemanden mit Cordhosen gesehen?“
„Doch schon“, half Bremer, der noch immer Manzettis Hose wie ein Corpus Delicti zwischen den Fingern hielt. „Und wie ich weiß, sind die Eltern von Sonja Lehrer, was die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass sie zwischen Beinen in Cordhosen groß geworden ist. Aber bei Ihnen, mein Lieber, da hätte ich diese Beinkleider auch nicht unbedingt erwartet.“
„Ich weiß nicht, was ihr habt“, tönte Manzetti, dem die Situation langsam peinlich wurde, und das lag nicht daran, dass er hier halbnackt herumstand. „Die Hose ist doch in Ordnung und sie hat auch nur zwanzig Euro gekostet. Was wollen Sie also?“
„Sie tragen Hosen für zwanzig Euro?“ Bremer konnte sich ein Lachen nicht verkneifen.
„Das nennt man ein Schnäppchen, oder?“ Manzetti verstand die Welt nicht mehr. Wenn er schätzen sollte, was Bremer für seine Jeans ausgegeben hatte, dann käme er nie und nimmer auf zwanzig Euro, nicht mal für zwei Stück.
„Manzetti, erinnern Sie sich an den Tag, als ich Sie zum Grillen anlässlich meines fünfzigsten Geburtstages eingeladen habe?“
„Ja. Und?“
„Sie kamen in einem Anzug.“
„Wo ist das Problem?“
„Kein Mensch geht in Deutschland mit einem Anzug zum Grillen. Das ist das Problem.“ Dann winkte Bremer ab und ging voran in sein Labor. Sonja folgte ihm, Manzetti bildete den Schluss.
„Das kommt daher, weil ihr Deutschen euch nicht anziehen könnt. Ihr findet es schick, wenn ihr die Amerikaner nachäfft und euch in Lumpen kleidet. Gilt natürlich auch für die Sprache, wenn ihr aus einem Hausmeister plötzlich einen Facility-Manager macht. Ich gehe lieber im Anzug, auch zum Grillen. Nur heute hatte ich einen triftigen Grund für eine andere Art von Kleidung.“
„Aber wer sagt schon wirklich Facility-Manager?“, widersprach Sonja.
„Egal, dann nimm die Polizei. Da kann man ganz deutlich erkennen, dass die deutsche Sprache insbesondere von Deutschen abgeschafft wird, oder?“ Manzetti schob Sonja weiter. Er wollte hier auf dem Flur nicht unbedingt Wurzeln schlagen, so ohne Hose.
„Wie meinst du
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