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Havenhurst - Haus meiner Ahnen

Titel: Havenhurst - Haus meiner Ahnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith McNaught
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„Wären Sie ein Gentleman, hätten Sie Ihren Vorschlag gar nicht erst geäußert.“
    „Dieses Argument ist natürlich nicht von der Hand zu weisen“, meinte er, und es hörte sich keineswegs scherzhaft an. „Ich werde trotzdem morgen bis um die Mittagsstunde in der Holzfällerhütte auf Sie warten.“
    „Ich komme nicht.“
    „Ich warte trotzdem.“
    „Es wäre Zeitverschwendung. Und jetzt lassen Sie mich bitte los. Das alles ist ein großer Fehler.“
    „Dann kommt es ja auf einen zweiten Fehler auch nicht mehr an.“ Unvermittelt schlang er den Arm fester um Elizabeth und zog sie dichter zu sich heran. „Sehen Sie mich an, Elizabeth“, forderte er sie leise auf, und sein warmer Atem strich über das Haar an ihrer Schläfe.
    Sämtliche Feuerglocken läuteten laut, aber leider verspätet in Elizabeths Kopf. Falls sie jetzt aufschaute, würde Ian sie womöglich noch küssen! „Ich will nicht, daß Sie mich küssen“, erklärte sie.
    „Dann sagen Sie mir jetzt auf Wiedersehen.“
    Sie hob den Kopf und schaute Ian in die Augen. „Auf Wiedersehen.“ Ihre Stimme klang erstaunlich fest.
    Ian betrachtete Elizabeths Gesicht, als wollte er es sich ganz genau einprägen. Schließlich blieb sein Blick an ihrem Mund hängen. Unvermittelt ließ er sie los und trat einen Schritt zurück. „Auf Wiedersehen, Elizabeth.“
    Sie drehte sich um, machte einen Schritt, blieb dann aber stehen. Ians Abschiedsgruß hatte so traurig geklungen -oder war es ihr eigenes Herz, das traurig war, weil sie jetzt etwas hinter sich lassen wollte, das ihr noch leid tun würde?
    Sie wandte sich wieder zu ihm um. Er und sie schauten einander stumm an. Nur der Abstand eines kleinen Schrittes trennte sie voneinander... und der große, unüberbrückbare gesellschaftliche Unterschied.
    „Unsere Abwesenheit ist sicherlich schon bemerkt worden“, sagte Elizabeth wie zur Entschuldigung.
    „Möglicherweise.“ Sein Gesicht blieb ausdruckslos, seine Stimme kühl und höflich, als hätte er sich innerlich bereits von Elizabeth verabschiedet.
    „Ich muß wirklich gehen.“
    „Gewiß.“
    „Nicht wahr, Sie verstehen doch, daß ...“ Sie sprach nicht weiter. Sie blickte den großen, gutaussehenden Mann an, den die Gesellschaft nur deswegen nicht annehmbar fand, weil er nicht von Adel war.
    Plötzlich haßte Elizabeth alle die einschränkenden Regeln dieses dummen gesellschaftlichen Systems, dem auch sie sich unterordnen sollte. „Sie verstehen doch“, begann sie noch einmal, „daß ich morgen mit Ihnen nicht...“ „Elizabeth“, flüsterte er, und seine Augen lächelten wieder. Er streckte ihr die Hand entgegen. „Kommen Sie her.“
    Wie von selbst hob sich ihre Hand. Ian ergriff sie und zog Elizabeth zu sich heran. Fest schlang er die Arme um sie und senkte seinen Mund auf ihren. Sein Kuß war zuerst sanft und liebkosend, wurde dann jedoch heiß und heftig, und Elizabeth fühlte Ians Hände zärtlich und besitzergreifend zugleich über ihren Rücken streichen.
    Ein Stöhnen entrang sich ihren - oder seinen? — Lippen. Sie hielt sich an Ians breiten Schultern fest, als suchte sie Halt in einer Welt, die plötzlich geheimnisvoll dunkel und aufregend sinnlich geworden war.
    Als Ian schließlich den Kopf hob, hielt er Elizabeth weiterhin umarmt, und sie schmiegte ihre Wange an seine weiße Hemdbrust. Er streifte mit den Lippen über ihr Haar. „Das war ein größerer Fehler, als ich befürchtet hatte“, sagte er lächelnd und fügte dann leise hinzu: „Gott helfe uns beiden.“ Es war diese letzte Bemerkung, die Elizabeth wieder zur Vernunft brachte. Daß Ian glaubte, sie wären beide so weit gegangen, daß ihnen jetzt nur noch göttlicher Beistand helfen konnte, traf sie wie ein kalter Guß. Sie befreite sich aus seinen Armen und strich sich die Röcke glatt.
    Nachdem sie sich wieder gefaßt hatte, schaute sie ihm ins Gesicht. „Dies hier hätte nicht geschehen dürfen“, erklärte sie fest. „Wenn wir jetzt jedoch in den Ballsaal zurückkehren und uns unseren jeweiligen Bekannten widmen, merkt vielleicht niemand, daß wir hier draußen zusammen waren. Auf Wiedersehen, Mr. Thornton.“
    „Gute Nacht, Miss Cameron.“
    Elizabeth war so damit beschäftigt, daß ihr entging, welche Betonung er auf die Worte „gute Nacht“ statt „auf Wiedersehen“ gelegt hatte. Und daß er sie mit „Miss Cameron“ statt mit „Lady Elizabeth“ angeredet hatte, fiel ihr in diesem Moment auch nicht auf.
    ★
    Elizabeth erreichte die Terrasse.

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