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Havenhurst - Haus meiner Ahnen

Titel: Havenhurst - Haus meiner Ahnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith McNaught
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Elizabeth ihn so bestürzt anschaute, fügte er rasch hinzu: "Abgesehen davon, ist es für ihn besser, lebendig und gedemütigt zu sein als tot und stolz.“
    Das ist wahrscheinlich der Unterschied zwischen einem geborenen und einem „gewordenen“ Gentleman, dachte Elizabeth. Ein als Gentleman Geborener zog den Tod der Entehrung vor. Jedenfalls hatte Robert sie das gelehrt. „Lord Everly ist ein Gentleman und ein Adliger. Als solcher wird er den Tod einer Entehrung vorziehen“, sagte sie.
    „Wegen einer Meinungsverschiedenheit zu sterben, heißt, ein Menschenleben zu verschwenden. Ein Mann ist zu sterben bereit, um sich, andere Menschen und sein Land zu verteidigen. Alle anderen Gründe sind nichts als Dummheit.“
    „Hätte ich mich nicht eingemischt, würden Sie dann Everlys Herausforderung angenommen haben?“
    „Nein.“
    „Nein?“ fragte sie erstaunt. „Sie hätten es zugelassen, daß er Sie einen Betrüger nannte, und Sie hätten keinen Finger gerührt, um Ihre Ehre und Ihren guten Namen zu verteidigen?“
    „Ich glaube nicht, daß meine Ehre in Gefahr war. Selbst wenn das der Fall gewesen sein sollte, wäre sie wohl kaum durch den Mord an einem dummen Jungen wiederhergestellt worden. Und was nun meinen guten Namen betrifft, so ist der schon mehr als einmal in Frage gestellt worden.“
    Ian lächelte. „Die Musik hat aufgehört.“
    Erst jetzt merkte Elizabeth, daß sie nicht mehr Walzer tanzten, sondern nur zusammenstanden und sich langsam auf der Stelle wiegten. Sofort wollte sie sittsam zurücktreten, doch da begann das Orchester mit einer neuen Melodie, und nun hatte sie eine Entschuldigung dafür, weiterhin in Ian Thorntons Armen zu bleiben. Dummerweise mußte sie aus seinem Lächeln schließen, daß er ihre Gedanken lesen konnte.
    „Da ich Sie also für morgen um Ihren Begleiter gebracht habe“, sagte er nach einem Moment, „würden Sie vielleicht eine Alternative in Betracht ziehen?“
    Elizabeth bekam Herzklopfen, denn sie erwartete, daß Ian Thornton sich ihr nun andienen würde.
    Wieder schien er ihre Gedanken lesen zu können. „Ich kann Sie nicht begleiten“, erklärte er.
    Ihr Herzklopfen bekam einen Dämpfer, und ihr Lächeln erlosch. „Weshalb nicht?“
    „Spielen Sie mir nicht die dumme Gans vor. In meiner Gesellschaft gesehen zu werden, ist für den Ruf einer Debütantin alles andere als dienlich. Das wissen Sie doch genau.“ „Haben Sie es deshalb auch abgelehnt, mit mir zu tanzen, als ich Sie darum bat?“
    „Das war einer der Gründe.“
    „Und welches waren die anderen?“
    Er lachte unfroh. „Nennen Sie es meinetwegen Selbsterhaltungstrieb.“
    „Wie bitte?“
    „Ihre Augen haben eine tödlichere Wirkung als Duellpistolen, meine Liebe; sie können einen Heiligen vom rechten Pfad abbringen“, erklärte er knurrig.
    An blumenreiche Lobpreisungen ihrer Schönheit war Elizabeth ja inzwischen schon gewöhnt, aber bei Ians eher widerwilligem Kompliment mußte sie lachen, und das war wahrscheinlich genau der Moment, in dem sie begann, ihn als einen Ebenbürtigen zu betrachten und ihm zu vertrauen.
    „Welche Alternative wollten Sie mir denn anbieten?“ erkundigte sie sich.
    „Einen gemeinsamen Mittagsimbiß. Irgendwo, wo wir uns unterhalten können und nicht zusammen gesehen werden.“ Ein verträumtes Picknick für zwei stand nun ganz gewiß nicht auf Lucinda Throckmorton-Jones’ Liste der annehmbaren Lustbarkeiten für Londoner Debütantinnen. Dennoch hätte Elizabetzh diesen Vorschlag nur sehr ungern abgelehnt. „Meinen Sie, im Freien? Vielleicht am See?“
    „Ich glaube, morgen wird es regnen. Außerdem würden wir im Freien eher gesehen werden.“
    „Wo dann?“
    „Im Wald. Ich erwarte Sie in der Holzfällerhütte an der südlichen Grenze des Anwesens. Zwei Meilen hinter dem Tor geht ein Pfad von der Landstraße ab, und der führt direkt zu der Hütte.“
    Woher Ian das wußte, war Elizabeth zwar schleierhaft, aber darüber dachte sie jetzt nicht nach. „Kommt nicht in Frage.“ Nicht einmal sie war so naiv, um sich auf ein solches Treffen einzulassen, und außerdem war sie auch furchtbar enttäuscht, daß er es vorgeschlagen hatte. Wirkliche Gentlemen machten keine solchen Vorschläge, und wohlgeborene Ladys nahmen sie nicht an. Elizabeth wollte sich sofort aus Ians Armen befreien, aber er hielt sie sanft, wenn auch unentrinnbar fest.
    „Ich gebe Ihnen mein Wort, daß ich Sie morgen nicht bedrängen werde“, sagte er leise. „Mein Wort als Gentleman.“

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