Havoc - Verwüstung - Thriller
deutlichsten nahm er die Strömung wahr. Sie war mit etwa zwei Knoten stark genug, um ihn flussabwärts mitzureißen, wenn er sich nicht in Acht nahm. Die Sicht betrug keinesfalls mehr als sechs oder sieben Meter und würde sich erwartungsgemäß sogar noch um einiges verringern, wenn sie das Wrack erst erreicht hätten.
Captain Crenna hatte einen Anker zur Wetherby hinuntergelassen, dessen Tau im trüben Dunkel verschwand. Cali legte eine Hand auf das Tau, ließ Luft ab, so dass sie in die Tiefe glitt. Mercer folgte ihr und zog seinen Anzug zurecht, als der Wasserdruck bewirkte, dass sich eine Falte des Nylonstoffs schmerzhaft in seine Achselhöhle drückte. Der morgendliche Nebel hatte sich aufgelöst, doch im Wasser trieb genügend Sediment, um die Sicht nachhaltig zu beeinträchtigen. Mercer knipste seine Taucherlampe an, als er sah, dass Cali den Abstieg verlangsamt hatte.
Genauso wie Ruth Bishop es beschrieben hatte, war die Wetherby in einem tiefen Loch im Flussboden zur Ruhe gekommen, wo sie vor der Strömung weitgehend geschützt war. Sie lag auf der Backbordseite, mit dem ausladenden Heck stromaufwärts. Der Rumpf war vom Fluss sauber gehalten worden, jedoch waren Tausende von Angelschnüren an der Reling und dem Deckaufbau hängen geblieben und wiegten sich in der Strömung. Das Schiff wurde sicherlich von Lachsen und Barschen bewohnt, und die einheimischen Angler, wenn sie sie mit ihren Angeln verfolgten, bezahlten den Preis mit verhakten und gerissenen Angelschnüren. Ihr Deckaufbau war im Laufe der Jahre schwer in Mitleidenschaft gezogen wurden, zuerst als sie im Fluss ein Stück abgetrieben und anschließend gesunken war und später vom Treibgut, das den Niagara River heruntergeströmt kam. Irgendwann musste
sich der Baum, von dem Ruth gesprochen hatte, losgerissen haben. Dabei hatte er ein klaffendes Loch hinterlassen.
Cali und Mercer befestigten Sicherheitsleinen an den Heckpollern und schwammen mit kräftigen Flossenschlägen am Schiff entlang. Der Schornstein war längst verschwunden, und Schlick hatte sich dort an seinem Bug gesammelt, wo sich Wasserwirbel gebildet hatten. Eines der vorderen Schotts war immer noch geschlossen, während das andere offen stand. Die Öffnung bildete ein gähnendes Quadrat, das einen Blick in den dunklen Frachtraum gestattete. Da das Schiff auf der Backbordseite lag, war von der Explosion, die es auf den Grund des Flusses geschickt hatte, nichts zu erkennen.
»Was denken Sie?«, fragte Cali, während sie sich über dem offenen Frachtraum an ihren Leinen festhielten und die Strömung wie ein heftiger Sturm an ihnen zerrte.
Mercer richtete seine Lampe auf die Öffnung, doch der Lichtstrahl vermochte kaum die Dunkelheit zu durchdringen. »Belegen wir die Leinen und werfen mal einen Blick hinein.«
Sie banden die Sicherungsleinen los, um mehr Bewegungsfreiheit zu haben, und achteten darauf, dass das widerstandsfähige Nylongewebe nicht an irgendwelchen scharfen Kanten scheuerte. Beide waren sie sich absolut bewusst, dass auch nur der kleinste Fehler ihren Tod bedeuten und sie die Wasserfälle flussabwärts hinabstürzen lassen könnte. Der Boden des Frachtraums - normalerweise die Backbordseite der Wetherby - war mit Fässern und Kisten bedeckt, die in einem heillosen Durcheinander herumlagen. Mercer musste noch einmal seinen Anzug zurechtzerren, als sich der Wasserdruck wieder schmerzhaft bemerkbar machte. Er warf einen Blick auf den Tiefenmesser und stellte fest, dass sie sich gerade bei etwa fünfundzwanzig Metern befanden. Das Wasser war
deutlich kälter, wie sie trotz der Schutzkleidung feststellen mussten.
Auch für die vernichtende Explosion fanden sie Beweise. Rumpfplatten waren von der Wucht der Explosion weggesprengt und grotesk verbogen worden. Ruths Onkel hatte also recht gehabt. Es sah aus, als sei die Wetherby von einem Torpedo getroffen worden.
Flüchtig untersuchte Cali zwei von den herumliegenden Kisten. »Meinen Sie, das könnten welche von denen sein, die wir suchen?«
»Nein«, erwiderte Mercer entschieden. »Bowies Kisten wurden doch Monate bevor die Wetherby in Buffalo eintraf verladen. Der Kapitän hat sie sicherlich in den hintersten Winkel schieben lassen, weil er erst wieder an sie herankommen musste, wenn sie in Chicago eintrafen. Dieser Frachtraum sieht dagegen so aus, als sei er für Fracht benutzt worden, die kurzfristig zugänglich sein musste.«
Er schwamm nach achtern und fand ein Schott, das zum nächsten Frachtraum führte. Die
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