Havoc - Verwüstung - Thriller
verfolgen, wie sich der Dieseltreibstoff entzündete und die Zugtrümmer mit einer gut dreißig Meter hohen Feuerwand zudeckte.
Mercer legte einen Arm um Calis schlanke Taille, und sie schmiegte sich an ihn, während sie das Inferno stumm betrachteten, davon überzeugt, dass Poli in den Flammen den Tod gefunden haben musste.
Südrussland
Poli Feines hatte zwanzig geschlagene Stunden hinter dem Lenkrad des russischen Jeeps gesessen, doch das raubtierhafte Funkeln seines einzelnen Auges war nicht im Mindesten verblasst. Seine Fahrt vom Bergwerk zum Schwarzen Meer hatte ihn über miserable Nebenstraßen und alte Schmuggelrouten geführt, und erst als er die Schnellstraße M-27 in der Nähe der Hafenstadt Novorossijsk erreichte, hatte er endlich wieder Asphalt unter den Rädern.
Während dieser Teil des Schwarzen Meeres für seine Badestrände berühmt war, bestand sein Ziel jedoch in einem kleinen, fernab vom Tourismus gelegenen Fischerdorf namens Kabardinka, das auf der anderen Seite der Bucht von Zemess lag.
Rasende Wut hatte jede Erinnerung an den ersten Teil seiner Reise ausgelöscht. Zuerst Afrika, dann New Jersey, danach die Niagarafälle - und jetzt dies. Obwohl er ihn nicht zu Gesicht bekommen hatte, war Feines sicher, dass Philip Mercer auch den Angriff auf das Bergwerk inszeniert hatte, zumal der Hubschrauberpilot ihn als den Mann auf der Kranschute auf dem Niagara River beschrieben hatte. Selbst nach den zwanzig Stunden, die sich seine Gedanken mit diesen Niederlagen beschäftigt hatten, stieg immer wieder ätzende Säure aus seinem Magen auf und verbrannte seinen Rachen. Mehr als zehn Jahre lang hatte er gemeinsam mit Gavrail Skoda in der bulgarischen Armee gedient und auch später noch, nachdem er sich selbstständig gemacht hatte, häufig mit ihm zusammengearbeitet. Feines hatte fünf Brüder, einer
von ihnen war zwar ein eineiiger Zwilling, doch er liebte keinen mehr als Gavrail, und jetzt war Skoda tot, getötet von Philip Mercer auf einem Schiff auf dem Niagara River.
Feines gestand sich ein, dass sie nicht genug Zeit gehabt hatten, um diese Mission sorgfältig zu planen, aber er und Skoda hatten doch schon weitaus kompliziertere Unternehmungen in weniger Zeit organisiert und durchgezogen, als sie diesmal zur Verfügung gehabt hatten. Und die Männer, die ihm zur Seite standen, waren kampferprobte Veteranen aus Afghanistan und dem Irak. Dass sie bereit waren, sich für die Sache zu opfern, war eine zusätzliche Garantie für einen Erfolg.
Und nun tauchte also Mercer wieder auf. Polis Hände krampften sich um das Lenkrad, bis seine Knöchel schneeweiß waren und die Knochen durch die Haut zu platzen drohten. Er genoss den Schmerz, denn der erinnerte ihn daran, was er mit Mercer tun würde, wenn ihre Pfade sich erneut kreuzten. Feines war ein Profi. Er ließ es niemals zu, dass die Aufträge, die er übernahm, ihn persönlich betrafen und sein Leben beeinflussten. Sobald er aus seiner Verpflichtung gegenüber seinem Kunden entlassen wäre, würde er Mercer jagen und stellen. Dann wollte er jeden töten, der ihm in irgendeiner Weise nahestand, und anschließend würde er Mercer selbst so ausgiebig foltern, dass er am Ende um seinen Tod betteln würde.
Im Scheinwerferlicht von Polis Auto erschien das Hinweisschild für seine Abfahrt. Er verließ die einsame Schnellstraße und fuhr langsam durch das Fischerstädtchen. Der Geruch des Meeres, der in der Luft lag, wurde von dem Gestank nach faulem Fisch und Dieseltreibstoff überdeckt. Nördlich der Stadt verlief eine Straße parallel zum Meer. Er konnte die hellen Lichter von Novorossijsk auf der anderen Seite der Bucht sehen. Dort lagen mehrere Supertanker bereit, um Öl zu bunkern, das mit der neuen Pipeline aus Kasachstan zur
Küste transportiert wurde. Und draußen auf den stillen Wassern des Schwarzen Meeres waren noch weitere Schiffe zu sehen, die entweder in den Hafen einfuhren oder gerade ausliefen. Die voll beladenen Tanker mussten das Schwarze Meer in ganzer Länge durchfahren und dann den Bosporus bei Istanbul passieren, eine der am dichtesten befahrenen Wasserstraßen der Welt, auf der es im Durchschnitt alle drei Tage zu einem Unfall kam. Ehe sie das Mittelmeer erreichten, wurden sie außerdem noch mit dem navigatorischen Albtraum konfrontiert, die Ägäis durchqueren zu müssen.
Die Scheinwerfer schälten die Umrisse einer kleinen Fischfabrik, die auf Pfählen über dem Wasser ragte, aus dem Dunkel. Bis auf zwei Wagen, einen luxuriösen
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