Havoc - Verwüstung - Thriller
verbeulte Gewehrkugel enthielt, die ihm die alte Frau im Dorf gezeigt hatte. Er machte einen Schritt in Richtung Schalter, dann wandte er sich aber plötzlich um. »Vielen Dank, Ma’am, bitte nach Ihnen.«
Er verließ die Warteschlange, eilte durch die Flughalle und hoffte, irgendwo Calis rotes Haar über den Köpfen der Menge zu entdecken. Er legte sich bereits zurecht, was er zu ihr sagen würde. »Was wir tun, ist schrecklich dumm. Ich glaube, wir haben eine Menge füreinander übrig, und ich finde, wir sollten nicht zulassen, dass die Umstände, die uns zusammengeführt haben, uns so … einfach … wieder auseinanderreißen. Ich weiß, dass Sie alles möglichst weit hinter sich lassen wollen - ich will das ja auch -, aber ich denke ebenso, dass ein Rendezvous keinen bleibenden Schaden bei uns hinterließe. Ich kann übermorgen in Atlanta sein. Ich muss nur meinem Kontaktmann bei den UN, Adam Burke, den Bericht zukommen lassen.«
Wenn sie seinen Vorschlag ablehnte, dann wäre es eben nicht zu ändern. Es würde ihn lediglich eine weitere Stunde Aufenthalt bis zum nächsten Flug zum Reagan National kosten, aber wenn sie ja sagte, dann würde es vielleicht helfen, dieses Gefühl der Einsamkeit, das ihn während des vergangenen halben Jahres so gequält hatte, ein wenig zu lindern.
Da sie nach Atlanta wollte, vermutete er, dass sie wahrscheinlich mit Delta Airlines flog. Er verließ den Flughafen und hielt nach einem Gepäckträger Ausschau, um sich zu erkundigen, wo sich deren Terminal befand, als er sie plötzlich auf der anderen Seite der Straße entdeckte, dort wo sich der Verkehr staute. Er wollte gerade ihren Namen rufen, als sie eine schwarze Limousine erreichte.
Sie drehte sich nicht um oder wechselte mit dem Chauffeur,
der ihr die Tür aufhielt, auch nur ein Wort, sondern stieg sofort ein. Mercer wartete, bis der Lincoln anfuhr, ehe er auf die Fahrbahn rannte und sich zwischen den im Schritttempo dahinrollenden Wagen durchschlängelte. Ein Taxifahrer stützte sich auf die Hupe, und ein Verkehrspolizist schimpfte hinter ihm her. Mercer ignorierte beides und legte noch einen Schritt zu, um einen Blick auf das Nummernschild des Wagens werfen zu können. Der weiße Untergrund mit den schwarzen Buchstaben darauf war deutlich zu erkennen, und plötzlich wurden ihm viele Dinge klar, während andere plötzlich noch verworrener erschienen.
Die Limousine war auf eine Behörde der amerikanischen Regierung zugelassen.
Arlington, Virginia
Es kam Mercer so vor, als stellte der Block Klinkerbauten in seiner Straße den letzten Rest dessen dar, was einst ein idyllischer Vorort gewesen war. Arlington war in den zehn Jahren, seit er das dreistöckige Reihenhaus gekauft hatte, enorm gewachsen. Das Viertel bestand mittlerweile vorwiegend aus anonymen Apartmenttürmen und Bürokomplexen mit einigen Einkaufszentren dazwischen, um seine Zersiedelung komplett zu machen.
Mercers Straße war mit identischen Häusern - rote Klinkerbauten mit geschmackvoll gestalteten Haustüren und schmalen Fenstern - sowie schattenspendenden Bäumen als Randbegrenzung gesäumt. Gewöhnlich herrschte außerhalb der Rushhour nur wenig Verkehr, und es war durchaus üblich, dass Mütter ihren Kindern gestatteten, im Freien zu spielen. Fast schien es so, als wäre die Zeit seit sechzig Jahren an dieser Straße vorbeigegangen, ohne ihre unseligen Spuren zu hinterlassen.
Immer wenn Mercer das Haus betrat, verfiel er in einen Zustand innerer Ruhe. Ihm gehörte das ganze Haus, und er hatte es umbauen lassen, so dass ein Atrium bis zum zweiten Stock hinaufreichte und sich eine Wendeltreppe bis ins Parterre hinabschraubte. Im ersten Stock befanden sich eine kleine Bibliothek, zwei Gästeschlafzimmer und ein Raum mit einer Bar aus Mahagoni sowie fünf dazu passende Hocker, eine Wandtäfelung mit Messingbeschlägen und eine gemütliche Ledersitzgruppe. Die Einrichtung war darauf angelegt, die
Atmosphäre eines Herrenclubs des neunzehnten Jahrhunderts wiederzuerwecken, und abgesehen vom Plasmafernseher und einem Kühlschrank im Look der fünfziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts gelang es ihr auch vollkommen. Die Suite des Hausherrn erstreckte sich über die gesamte dritte Etage. Mit zwei großen Oberlichtern ausgestattet war Mercers Schlafzimmer größer als die meisten Apartments in Arlington, und das Marmorbadezimmer war nach seinem Kenntnisstand das einzige, das neben der gewöhnlichen Toilette auch noch über ein Urinbecken verfügte.
Er
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